Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
Happicuppa-Kaffee-Ernten wurden von einem neuen Kaffeebohnenkäfer bedroht, der anscheinend gegen alle bekannten Pestizide resistent war.
    Im Nordwesten war ein Miniaturnager aufgetaucht, der Elemente des Stachelschweins und des Bibers enthielt. Das Tier kroch unter die Motorhauben geparkter Fahrzeuge und ruinierte Keilriemen und Getriebe.
    Eine Mikrobe, die den Teer im Straßenbelag fraß, hatte mehrere Highways in Sandpisten verwandelt. Alle staatlichen Straßenmeistereien waren alarmiert, und ein Quarantänegürtel war eingerichtet worden.
    »Was ist da los?«, sagte Jimmy. »Wer stellt das Zeug hier rein?«
    Die Bulletins verschwanden, und ein neuer Eintrag erschien.
    MaddAddam braucht neue Ansätze. Irgendeine schlaue Idee? Lass sie uns wissen.
    Crake tippte: Sorry, Unterbrechung, muss weg.
    Gut, Großmeister Rednecked Crake. Wir reden später. Crake schloss die Seite.

    Jimmy empfand eine eisige Kälte, eine Kälte, die ihn an die Zeit erinnerte, als seine Mutter fortgegangen war: dasselbe Gefühl von Verbotenem, eine sich öffnende Tür, die versperrt bleiben musste, ein unterirdischer Strom geheimen Lebens im dunklen Zwischenraum direkt unter der Oberfläche. »Was war das alles?«, sagte er. Vielleicht war es gar nichts, sagte er sich. Vielleicht wollte Crake nur wieder angeben.
    Vielleicht war das alles sorgfältig inszeniert, eine Erfindung von Crake, ein dummer Scherz, um ihm Angst einzujagen.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Crake. »Ich dachte erst, es ist einfach nur eine weitere verrückte Tierbefreiungs-Org. Aber es steckt mehr dahinter. Ich glaub, es geht ihnen um die Maschinerie. Es geht ihnen um das ganze System, sie wollen es lahm legen. Mit Menschen haben sie bislang noch nichts angestellt, aber es steht außer Zweifel, dass sie’s könnten.«
    »Lass dich nicht auf so was ein!«, sagte Jimmy. »Am Ende wirst du noch damit in Verbindung gebracht! Jemand könnte denken, dass du dazugehörst. Was ist, wenn sie dich erwischen? Dann grillen sie dir das Hirn!« Er hatte jetzt Angst.
    »Ich werd nicht erwischt«, sagte Crake. »Ich surf nur. Aber tu mir den Gefallen und sag nichts davon, wenn du mailst.«
    »Sicher«, sagte Jimmy. »Aber warum gehst du überhaupt das Risiko ein?«
    »Ich bin neugierig, das ist alles«, sagte Crake. »Sie haben mich ins Wartezimmer gelassen, aber nicht weiter. Sie müssen einem Komplex angehören, zumindest sind sie Komplexgeschult. Das sind hochkomplizierte Bioformen, die sie da ausgetüftelt haben; ich glaube nicht, dass ein Plebsländer irgendwas Vergleichbares herstellen könnte.« Er warf seinen grünäugigen Seitenblick auf Jimmy – einen Blick (denkt Schneemensch jetzt), der Vertrauen bedeutete. Crake vertraute ihm. Sonst hätte er ihm den verborgenen Spielraum nicht gezeigt.
    »Es könnte eine CorpSeCorps-Fliegenfalle sein«, sagte Jimmy. Die Corps-Leute waren durchaus fähig, solche und ähnliche Köder auszulegen, um etwaige Umstürzler beizeiten zu Fall zu bringen. Das Erbsenbeet jäten, nannte man das wohl. Angeblich waren die Komplexe mit solchen potenziell tödlichen Tunneln vermint. »Du musst aufpassen, wo du hintrittst.«
    »Klar«, sagte Crake.

    Was Jimmy eigentlich wissen wollte, war: Warum hast du unter allen Möglichkeiten, die du hattest, unter allen möglichen Einstiegen, ausgerechnet sie ausgesucht?
    Aber das konnte er nicht fragen. Er konnte sich nicht verraten.

    Es passierte noch etwas anderes während dieses Besuchs, etwas Wichtiges; aber das begriff Jimmy damals nicht.
    In der ersten Nacht, die er auf Crakes ausziehbarem Sofa verbrachte, hörte er Rufe. Er dachte erst, es käme von draußen – in Martha Graham wären es Studenten gewesen, die sich einen Jux machten –, aber es kam aus Crakes Zimmer. Es kam von Crake. Und es war mehr als Rufen: Crake schrie. Wortlos. Es passierte in jeder Nacht, solange er da war.
    »Du musst ja was Irres geträumt haben heute Nacht«, sagte Jimmy am nächsten Morgen, nachdem es zum ersten Mal passiert war.
    »Ich träum nie«, sagte Crake. Er hatte den Mund voll und schaute aus dem Fenster. Für einen so dünnen Menschen aß er ziemlich viel. Es war die Geschwindigkeit seines Stoffwechsels, der hohe Grundumsatz: Crake verbrannte alles sehr schnell.
    »Jeder träumt«, sagte Jimmy. »Weißt du nicht mehr, die REM-Schlaf-Studie an der HelthWyzer High?«
    »Bei der wir Katzen gefoltert haben?«
    »Virtuelle Katzen, ja. Und die Katzen, die nicht träumen konnten, wurden wahnsinnig.«
    »Ich erinnere

Weitere Kostenlose Bücher