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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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gerufen, und jetzt, wo sie niemand mehr träumt, verfallen sie.

    »Lass uns mal im Rahmen unserer Diskussion annehmen«, sagte Crake eines Abends, »dass die Zivilisation, so wie wir sie kennen, zerstört wird. Magst du Popcorn?«
    »Ist das echte Butter?«, sagte Jimmy.
    »Nur das Beste bei Watson-Crick«, sagte Crake. »Wenn sie erst einmal dem Erdboden gleich gemacht wäre, könnte man sie nie wieder aufbauen.«
    »Und warum nicht? Hast du Salz da?«
    »Weil alle verfügbaren Oberflächenmetalle bereits abgebaut sind«, sagte Crake. »Und ohne die gibt es keine Eisenzeit, keine Bronzezeit, kein Zeitalter des Stahls und der ganze Rest. Es gibt tiefer unten Metalle, aber die hoch entwickelte Technik, die es braucht, um die rauszuholen, wäre ausgelöscht.«
    »Sie könnte ja wieder zusammengesetzt werden«, sagte Jimmy beim Kauen. Es war schon so lange her, dass er derart gutes Popcorn gegessen hatte. »Man hätte doch immer noch die Baupläne.«
    »Hätte man nicht«, sagte Crake. »Es ist nicht wie beim Rad, es ist inzwischen alles zu komplex. Angenommen, die Baupläne hätten überlebt, angenommen, es gäbe noch Leute, die wüssten, wie man die liest. Solche Leute wären hier und da verstreut, und sie hätten keinerlei Werkzeug. Vergiss nicht, keinen Strom. Und dann, wenn diese Leute gestorben sind, das wär’s dann. Sie hätten keine Lehrlinge, sie hätten keine Nachfolger. Willst du ein Bier?«
    »Ist es kalt?«
    »Alles, was es braucht«, sagte Crake, »ist die Beseitigung einer einzigen Generation. Einer Generation von allem. Käfer, Bäume, Mikroben, Wissenschaftler, Leute mit Französischkenntnissen, was auch immer. Wenn man das zeitliche Bindeglied zwischen einer Generation und der nächsten unterbricht, heißt es für immer: Spiel aus.«
    »Apropos Spiel«, sagte Jimmy, »du bist dran.«

    Das Gehen ist für Schneemensch zu einem Hindernislauf geworden: An mehreren Stellen hat er Umwege machen müssen. Jetzt befindet er sich in einer engen Seitenstraße, die von Schlingpflanzen überwuchert ist, sie haben sich quer über die Straße gehängt, von Dach zu Dach. Durch die Spalten im Grünzeug über ihm kann er eine Hand voll Geier sehen, die ruhig am Himmel kreisen. Sie können ihn ebenfalls sehen, sie haben die Sehkraft von zehn Vergrößerungsgläsern, diese Viecher können einem das Kleingeld in der Tasche zählen. Er weiß so einiges über Geier.
    »Noch nicht«, ruft er zu ihnen hoch.
    Aber warum sie enttäuschen? Sollte er stolpern und hinfallen, sich offene Schnittwunden holen, sich bis zum Umfallen verausgaben, dann von Hunölfen oder Organschweinen angefallen werden, wen würde das schon kümmern außer ihn selbst? Den Crakern geht es gut, die brauchen ihn nicht mehr. Eine Zeit lang werden sie sich fragen, wo er wohl abgeblieben sein mag, aber dafür hat er bereits eine Antwort geliefert: Er ist losgezogen, um bei Crake zu sein. Er wird ein Nebenspieler in ihrer Mythologie werden, so wie schon jetzt – eine Art Reserve-Demiurg. Man wird ihn in falscher Erinnerung haben. Man wird nicht um ihn trauern.

    Die Sonne steigt höher, ihre Strahlen werden intensiver. Er fühlt sich schwindlig. Eine dicke Ranke schlängelt sich züngelnd davon, als sein Fuß neben ihr aufkommt. Er muss besser aufpassen. Sind irgendwelche der Schlangen giftig? Hatte der lange grüne Schwanz, auf den er beinahe getreten ist, einen kleinen pelzigen Körper vorne dran? Er hat es nicht genau gesehen. Er hofft jedenfalls, dass es nicht so war. Sie haben behauptet, alle Schlatten seien vernichtet worden, aber es brauchte lediglich ein Paar von ihnen. Ein Paar, Schlatten-Adam und Schlatten-Eva, und irgendeinen rachsüchtigen Knallkopf, der sie bitten würde, seid fruchtbar und mehret euch, dem der Gedanke Vergnügen bereiten würde, wie diese Dinger sich die Abflussrohre hochschrauben. Ratten mit langen schuppigen Schwänzen und den Giftzähnen von Klapperschlangen. Er beschließt, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Stattdessen beginnt er zu summen, sich selbst aufzumuntern. Welche Melodie ist das? »Winter Wunderland«. Das haben sie immer zu Weihnachten in den Einkaufszentren gespielt, noch lange nachdem es das letzte Mal geschneit hatte.

    Was für’n Spaß wir mit Herrn Schneemann haben, bis die anderen Kinder ihn zerstören…

    Vielleicht ist er letzten Endes gar nicht der Abscheuliche Schneemensch. Vielleicht ist er die andere Art von Schneemann, der grinsende Tollpatsch, der zum Spaß gebaut und zum Zeitvertreib

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