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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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und er ließ zu, dass das Geräusch ihn umschloss, bis er völlig allein und die übrige Menschheit an Bord zu einem Nichts geschrumpft war: einer Geräuschleere.

TEIL ZWEI
    Toter Briefkasten

Überall ist ein guter Ort für einen Drink
    Den dicken Mann zu finden war nicht einfach gewesen.
    Er war in Orly gelandet, hatte den Zug nach Paris hinein genommen, hatte in einem kleinen, heruntergekommenen Hotel am Fuß des Montmartre eingecheckt. Orly war eine Betonwüste. Als sie ausstiegen, rutschte ein Mann auf dem Rollfeld aus, fiel hin und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Vor der Abfertigungshalle stand die Statue eines französischen Generals, auf deren kleiner Messingtafel zu lesen war: Charles de Gaulle, Anführer der Freien französischen Streitkräfte, Lille 1890 – Algiers 1944. »Das kämpfende Frankreich braucht euch.«
    Auf den Betonsockel war ein durch getrockneten Vogelkot teilweise verdeckter Schriftzug aufgesprüht: Frankreich hat keine Freunde, es hat nur Interessen. CDG, stand da zu lesen.
    Die Züge waren voll und die Sitze abgewetzt. An den Seitenwänden der Waggons gab es Grafitti-Botschaften, in den Polstern Brandlöcher. Joes Hotelzimmer lag im dritten Stock mit Blick auf eine enge, ansteigende Straße. Gleich am Eingang des Hotels saß ein Mann hinter einem umgedrehten Pappkarton und bot Passanten die Möglichkeit, »die Rote« zu finden, wobei seine Hände sich unablässig bewegten, während die drei mit dem Gesicht nach unten liegenden Spielkarten ständig die Plätze wechselten. Joe starrte aus dem Fenster und rauchte. Er fühlte sich ruhelos, müde, aber unfähig zu schlafen. Die Luft war feuchtheiß, ein schmutziger Pariser Sommer, der wütend aus dem Winterschlaf aufzutauchen begann.
    Der erste Ermittlungsschritt hatte sich als ganz einfach erwiesen. Die Anschrift von Medusa Press war ein Postfach, gefolgt von einem Zahlencode. Im nächstgelegenen Postamt erfuhr er, dass der Code die Örtlichkeit dem 8. Arrondissement zuordnete. »Es ist das alte Postamt am Boulevard Haussmann«, sagte ihm der Postbeamte. Die Hausnummer sei 102. Er würde hingehen, aber jetzt war es wahrscheinlich zu spät. Morgen würde er gleich in der Frühe seinen Beobachtungsposten beziehen. Er stand auf. Das Zimmer war spärlich möbliert, ein schmales Einzelbett, eine graue Decke, gebrochen weiße Laken, ein Toilettentisch, der, je nach Sichtweise des Betrachters, entweder antik oder vom Sperrmüll war, schmutzige rötlich braune Vorhänge, an der Wand ein Bild des früheren französischen Präsidenten Saint-Exupéry vor blauem Hintergrund, ein Waschbecken. Dusche und Toilette befanden sich am Ende des Gangs. Auf dem Toilettentisch stand ein Aschenbecher. Es roch nach Desinfektionsmittel. Joe verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab.
    Er nahm die Treppen hinunter ins Erdgeschoss, nickte dem Algerier hinter dem Tresen zu und schlenderte nach draußen. Hüte waren wieder in Mode, stellte er fest. Er ging an dem Kartenspielbetrüger und seiner kleinen Schar Hoffnungsvoller vorbei ein Stück die Straße hinunter, wo er in einer Verkaufsbude einen schwarzen, breitkrempigen Hut erstand und sich schief aufsetzte.
    »Ooh, sehr hübsch, Monsieur«, sagte die korpulente Afrikanerin hinter ihrem primitiven zusammenklappbaren Tisch voller buntem Tuch. »Sehr gut für die Damen.« Joe lächelte und bezahlte. Er brauchte einen Drink. Etwas zu essen brauchte er auch, aber vor allem einen Drink. Er ging den Boulevard de Rochechouart hinunter auf die Place Pigalle zu.
    »Hey, willst du Gesellschaft?«, sagte eine Stimme. An die Mauer gelehnt, die Beine leicht gekreuzt, ließ sie ein Lächeln aufblitzen. Sie hatte blondierte Haare und lange braune Beine, und ihr Rock war sehr kurz. Ihr nettes Lächeln erschien irgendwie unwirklich. Wie sie so dastand, sah sie merkwürdig unkörperlich aus, einer Luftspiegelung gleich, die verschwommen über einer Straße in der Stadt flimmerte. In der Luft lag ein leichter, aber anhaltender Alkoholgeruch.
    Joe schüttelte den Kopf.
    »Du magst wohl keine Mädchen?«
    Er zuckte die Schultern und ging weiter. Da rief die junge Frau hinter ihm her: »Magst du Jungs? Ich kann dir einen besorgen. Oder wir treiben’s alle zusammen, wie wär das? Welche Farbe magst du am liebsten?«
    Irgendetwas war in ihrer Stimme, die Art, wie sie bei den letzten Worten stockte, eine fallende Betonung, die ihn unvorbereitet traf; da war etwas Einsames, Verletztes, Raues, und er drehte sich um. »Am

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