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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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heiße Dusche, verband, wieder in seinem Zimmer, seine Hand und legte sich dann ins Bett. Während seiner Abwesenheit war jemand gekommen und hatte die Laken gewechselt, und sie fühlten sich an seiner Haut kühl und weich an, und er seufzte, presste, während er sich umdrehte, das Kopfkissen an seine Brust und schlief ein.

IM STILLSTAND
    Männer wie Wolken
    Früher Morgen. Das Zimmer im Dunkel. Ein Kratzen an der Tür. Das Bett unter ihm kalt, wie unbenutzt. Joe in dem Bereich zwischen Schlafen und Wachen – gewahr, aber nicht geneigt, sich zu bewegen. Draußen jemand, der versuchte, die Tür aufzumachen, leise. Er träumte nicht mehr. Ein Klicken auf der anderen Seite der Tür. Joes Hand pochte, der Schmerz beruhigend real. Die Tür ging auf, sacht, ließ einen Lichtstreifen herein. Ein dunkler Schatten in der Türöffnung, das Gesicht von Schatten verdunkelt, doch er konnte die schwarzen Schuhe sehen, ein kurzärmeliges kariertes Hemd, dachte an Vientiane zurück – was ein ganzes Leben her zu sein schien.
    Elektrisches Licht: Die plötzliche Helligkeit trieb ihm die Tränen in die Augen. Eine Gestalt, die sich mit großen, leichten Schritten bewegte, eine Hand auf seinem Gesicht, die ihn niederhielt, etwas wurde über seine Augen gelegt. Er wehrte sich nicht, sah keinen Sinn darin. Eine Stimme, die ihm ins Ohr murmelte, der Hauch eines Akzents: »Sie sind blind, wie Wurm.« Joe ging nicht darauf ein.
    »Warum Sie machen weiter?«, sagte die Stimme. »Sogar mit geöffneten Augen sind Sie blind. Warum im Dunkeln tasten, tap-tap-tap, wie Blinder mit einem Stock? Das mit Ihrem Freund tut mir leid.«
    Sein Freund? Er dachte an Mo, den anhaltenden Geruch von billigen Zigarren, »Ich mache hauptsächlich Scheidungen«, ein Name in einem Telefonbuch, der vorübergehend zur Realität geworden, dann mit dem Knallen von Schüssen ausgelöscht worden war. »Warum Sie geben nicht auf?«, sagte die Stimme, und sie klang ratlos. »Sie haben gutes Leben gehabt, vorher. Kaffee trinken, im Büro sitzen, ist friedlich, oder?«
    Irgendwie hatte er keine Angst. Es war wie ein Traum, dachte er. Oder was für ihn einem Traum am nächsten kam. Die Worte: »Werden Sie mich töten?« fanden sich in seinem Kopf ein und blieben dort, ein ungesprochener Filmdialog.
    »Ich will Sie nicht töten«, sagte der Mann. »Tod ist nur ein Tor zu einem anderen Ort. Ich dachte immer, es wäre das Paradies, aber das ist es nicht.« Ein kurzes Lachen wie ein Husten, bitter wie Kaffee. »Ich spucke darauf.«
    Unklarheit. Spucken worauf? Das Bett war wie harte Wolken, und er schwebte. Der Mann über ihm hatte kein Gesicht, davon war er jetzt überzeugt. Ein Mann ohne Gesicht. Das belustigte ihn, aber innerlich. Nur innen drin. »Sie sind tapfer«, sagte der Mann. »Aber auch dumm. Ja, ich glaube, Sie sind sehr dumm.« Eine Hand war immer noch auf seinem Gesicht. Stoff auf seinen Augen, Kokons von Raupen, zu Seide gesponnen und schwarz gefärbt. »Sie bleiben hier«, sagte der Mann. »Für Sie, Paradies, jetzt. Alles gut, oder? Was fehlt Ihnen? Warum Sie machen Schwierigkeiten?«
    Keine Antwort erwartet. Der Mann sprach mit sich selbst, nicht mit Joe. »Als ich Kind war«, sagte der Mann unvermittelt, »ich schaue zum Fenster raus, ich sehe Wolken. Wolken sind immer anders. Ich sehe Gesichter in Wolken. Ohren, Augen, Münder – Augen, ich sehe Augen, viele Augen. Ich sehe lächelnde Gesichter. Ich sehe traurige Gesichter. In Wolken. Vor dem Schlafzimmerfenster. Verstehen Sie?«
    Doch Joe verstand nicht.
    Die andere Hand des Mannes auf Joes Haar, darüberstreichend. Traurigkeit in den sich bewegenden Fingern. »Dann kommt Wind. Wolken ziehen, verändern sich. Machen manchmal neue Gesichter. Manchmal nichts mehr. Männer wie Wolken. Denken Sie je an Gott?«
    Die Hand strich ihm übers Haar. Keine Antwort erwartet. Der Mann sagte: »Alter Mann mit langem Bart, ja? Hoch oben in Wolken. Gott, für Kinder ist es Gott. Manchmal für Erwachsene auch. Verstehen Sie?«
    Joe bewegte den Kopf, eine kaum zu erkennende Verlagerung. Nein. Der Mann sagte: »Sie halten sich aus Schwierigkeiten raus. Gehen zurück zu Kaffee, Sonnenschein, Spaziergang zum Büro und zurück. Ist besser gut.«
    Besser gut als was?
    »Oder Sie gehen anderes Paradies«, sagte der Mann. Seine Hand war nicht mehr auf Joes Kopf. »Bleiben, gehen, ganz egal. Sie machen Schwierigkeiten, ich schicke Sie. Okay?«
    Joe war nach Lachen zumute. Doch die Stimme über ihm, zerbrechlich, war immer noch

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