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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Edwin Drood ergab keinen Sinn.
    Mum, ich vermisse dich .
    Auf der Seite einer roten Telefonzelle: Flüchtlinge raus .
    Hinter seinen Augen die sich ausdehnende und sich zusammenziehende Dunkelheit, die das Denken verdrängte. Ein Sexkino, ein Platzanweiser, der ihn, die hellblonden Augenbrauen hochgezogen, neugierig angaffte, an der Wand wieder dieser Ausdruck. Irrwirre, ich kann euch sehen .
    Irgendwie fand er sich in der Charing Cross Road wieder, und aus einem Glasgefängnis heraus starrten ihn Unmengen von Buchvorderseiten an, und da war wieder dieses Plakat, das er zuletzt bei Papa D. in Paris gesehen hatte, der Mann mit dem langen Bart und den klaren, durchdringenden Augen, die in ihn hineinzublicken, den Staub und Schutt, der sein Leben ausmachte, zu durchkämmen und ihn zu kennen schienen. Gesucht: Tot oder lebendig. Osama bin Laden: Vergelter . Eine Auslage mit grellbunten Taschenbüchern. Eine Art Krimibuchhandlung. Gehen, gehen, die Shaftesbury Avenue entlang, wo es ruhiger und kühler war und jemand auf ein Gebäude aus Chrom und Glas die Botschaft Madam Seng ist ein Schlangenkopf gesprüht hatte, und er blieb stehen, denn da war es wieder, und plötzlich hatte er zu viele zu verfolgende Spuren, von denen er annahm, dass sie alle Sackgassen waren, und er wollte gar nicht anfangen. Die Dunkelheit hinter seinen Augen war lebendig, klappernde Türen im Kopf, die er fest geschlossen halten wollte. Er ging, ohne sich irgendeiner bestimmten Richtung bewusst zu sein, weg von der Shaftesbury Avenue, bis Musik ihn innehalten ließ. Eine Orgel spielte, goss ein Meer von Noten aus, das ihn überspülte, ihn aufhielt, ihn hochhob, und er sah eine Kirche und daneben, genau da, wo er stehen geblieben war, die Tür zu einem anderen Pub.

Der Engel von St. Giles
    Im Inneren des Pubs war es dunkel, drinnen waren Leute, und es wurde durcheinandergeredet. Trotz der Hitze draußen brannte ein Feuer, aber Joe fand es nicht stickig; er fand es behaglich. Es gab einen Barbereich, und der Barkeeper war groß und dunkel und wortkarg, wie ein Statist in einem Stummfilm, und Joe bestellte einen Whisky, trank ihn und fror immer noch. Er bestellte noch einen, zündete sich eine Zigarette an und ging ans Feuer. Er zitterte und wusste nicht, warum.
    Gesprächsfetzen kamen wie Rauch herübergewabert:
    »Also hab ich zu ihm gesagt, kann man denn so ein Geschäft führen? Wir kriegen jeden Monat zehn Tonnen aus Indien, allein für die Zollabfertigung brauchen wir schon zwei Leute, und jetzt will er –«
    »Es sind die Versandkosten. Zum Glück für uns kennen die Saudis die Erwartungen an –«
    »Es wäre gar nicht schlecht, wenn wir den japanischen Markt knacken könnten, aber –«
    »Der asiatische Markt war immer ein zu großes Versprechen –«
    »Und er sagt, hast du einen Pass? Also, hast du?«
    »Mir hat er in diesem einen Film gefallen, dem mit –«
    »Und er sagt, gut, wie viel, wenn wir diese Menge im Monat kaufen, und du wirst es nicht glauben –«
    »Es war ein Horrorfilm. Ich bin sicher, dass –«
    »Zehn Tonnen im Monat!«
    »Ich bin sicher, dass das nicht stimmt.«
    »Mit diesem Schauspieler, der einen Detektiv spielt, und er muss –«
    »Du musst dich auf die belastenden Dokumente konzentrieren, darauf läuft es letztlich hinaus. Immer die belastenden Dokumente im Auge haben –«
    »Großostasiatische Wohlstandssphäre, klar, aber was haben wir davon?«
    »Hongkong –«
    »Erzähl mir nichts von Hongkong, du weißt ganz genau, dass –«
    »Wofür ein Pass? Ich meine, es ist ja nicht so, dass wir uns wieder im Zweiten Weltkrieg befänden, oder? Also hab ich zu ihm gesagt –«
    »Es sind die Saudis, zum Glück haben wir das Ruder fest in der Hand, falls du weißt, was ich meine –«
    »Mit dieser Schauspielerin, die die Angebetete spielt, wie heißt sie doch gleich –«
    »Opium. Man kann es zur Finanzierung von Kriegen oder zur Heilung der Kranken verwenden. Das sagt er zu mir. So eine Frechheit! Als würden wir nicht schon genug zahlen –«
    »Du kennst diesen Witz, den mit dem Elefanten –«
    »Zehn Tonnen!«
    »Stirbt er am Ende?«
    Joe fröstelte. Im Kamin tanzten die Flammen im Takt einer unsichtbaren Trommel. Er sah eine an der Wand befestigte kleine blaue Gedenktafel: Das Angel Inn. Im Mittelalter bekamen hier die Verurteilten auf ihrem Weg zum Galgen am St. Giles Circus einen letzten Drink.
    Darunter hatte jemand mit schwarzem Filzstift gekritzelt: Also hoch die Tassen!
    »Die Amerikaner würden dir

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