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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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Donna an die gegenüberliegende Wand. Sie zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch in die Luft.
    »David, ich weiß, du magst es gar nicht, wenn ich rauche«, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
    Ich verdrehte die Augen, schwieg jedoch. Es war nicht meine Aufgabe, jemanden in dessen eigener Wohnung vom Rauchen abzubringen. Damit war ich schon in meiner Praxis mehr als genug beschäftigt.
    Donna betrachtete ihre Zigarette, um sie dann im Aschenbecher auszudrücken. »Nach diesen Träumen habe ich stundenlang im Bett gesessen und versucht, mir aus dem Kopf zu schlagen, was meine Mutter da gesagt hatte. Ich wusste, sie wollte nicht ins Pflegeheim; jedenfalls war das so, als sie noch klar denken konnte. Deshalb war es die schwerste Entscheidung meines Lebens, sie ins Heim zu geben, aber ich hatte wirklich keine andere Wahl. Schließlich war ich alleinstehend und musste mich um meinen Sohn kümmern. Da konnte ich sie einfach nicht mehr zu Hause pflegen. Sie wissen ja, sie hatte Lewy-Körperchen-Demenz und hat unheimlich schnell abgebaut.«
    Mit Ausnahme von Neurologen, Geriatern und Psychiatern weiß kaum jemand Bescheid über die Demenz mit Lewy-Körperchen, kurz LBD für Lewy-Body-Demenz. Obwohl es sich wahrscheinlich um die zweithäufigste Form der Demenz handelt, wird sie häufig falsch diagnostiziert, weil sie große Ähnlichkeiten mit der Parkinson- und der Alzheimer-Krankheit aufweist. Wie bei Parkinson treten motorische Störungen auf; die Betroffenen leiden an Steifheit und sind unsicher auf den Beinen. Außerdem zeigen sie psychotische Symptome wie Halluzinationen, Schlafstörungen und erhebliche Verhaltensänderungen. Dazu kommt eine extreme Empfindlichkeit und Unverträglichkeit gegenüber antipsychotischen Medikamenten, die wegen der auftretenden Halluzinationen oft fälschlicherweise verschrieben werden. Die für diese Krankheit typischen Verhaltensstörungen machen die Pflege von LBD -Patienten besonders schwierig.
    »Im einen Augenblick war bei meiner Mutter scheinbar alles in bester Ordnung, und im nächsten stand sie völlig neben sich. Sie war einfach nicht mehr derselbe Mensch. Wir brachten sie zu den besten Ärzten, den besten Spezialisten, und die haben ihr ein Medikament nach dem anderen verschrieben. Irgendwann hat sie wohl alles ausprobiert. Die Ärzte hielten sie für depressiv, also haben sie ihr Antidepressiva verabreicht. Sie konnte nicht schlafen, also sollte sie Schlafmittel nehmen. Ihr Gedächtnis hat versagt, also ist man mit irgendeiner merkwürdigen Gedächtnispille angekommen. Je mehr Medikamente man ihr gab, desto schlechter wurde ihr Zustand. Irgendwann ist alles so außer Kontrolle geraten, dass ein Kollege von Ihnen sie schließlich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen hat, um sie von den Medikamenten zu entwöhnen. Wie sich herausstellte, hatten die alles wahrscheinlich nur noch schlimmer gemacht.«
    Donna schüttelte den Kopf. »Schon merkwürdig, dass wir sie ins Krankenhaus bringen mussten, um sie von den ganzen Tabletten zu befreien.«
    So merkwürdig war das gar nicht. Über ein Viertel aller Krankenhausaufenthalte ist inzwischen der Wirkung von Übermedikation geschuldet. Es ist eine Tatsache, dass alle Medikamente, selbst Kräuterheilmittel und frei verkäufliche Mittel, in bestimmten klinischen Situationen potenziell gefährlich sind. Und besonders ältere Patienten werden ständig mehr Medikamenten ausgesetzt.
    »Als sie aus der Klinik entlassen wurde«, fuhr Donna fort, »war offensichtlich, dass sie nicht nach Hause kommen konnte. Damit begann eine Wanderschaft durch verschiedene Pflegeheime. Was da gelaufen ist, hat mir wirklich die Augen geöffnet!«
    »Inwiefern?«, fragte ich.
    »Nur ein Beispiel: Als meine Mutter im ersten Heim war, hat mich eine der Schwestern dort telefonisch informiert, man müsste sie zur Untersuchung in die Notaufnahme schicken. Ich habe gefragt, warum, und da hat man mir gesagt, mit ihren vierundachtzig Jahren hätte meine Mutter eine Helferin geschlagen, während die versucht hätte, sie umzuziehen. Nun war meine Mutter zwar recht resolut, aber so etwas hätte sie in gesundem Zustand nicht getan. Ich bin also gleich in die Klinik gefahren, wo man die Untersuchungen gemacht hat. Gefunden hat man nichts, aber als man meine Mutter wieder ins Heim verlegen wollte, hat man sich dort geweigert, sie aufzunehmen. Deshalb lag sie ganze drei Tage in der Notaufnahme, während wir einen Platz für sie gesucht haben.«
    Donna stand auf

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