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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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intensive Neugier habe ich auch bei einigen meiner Patienten beobachtet. Es ist, als würden solche Beziehungen die Grenzen der Sprache überschreiten. Übrigens habe ich dadurch auch gerade erst erfahren, wie schlau Tiere sind.«
    »Tja, Oscar ist tatsächlich schlau, das kann ich bestätigen. Normalerweise hat er sich in sicherem Abstand von meiner Mutter gehalten und sie in Ruhe gelassen, aber wenn sie stehen blieb, um etwas zu ihm zu sagen, dann blieb er auch stehen. Als er später in ihr Zimmer kam, ist er nie lange geblieben und hat sich auch nie an sie geschmiegt – er kam mir immer wie eine Respektsperson auf Besuch vor –, sondern hat sich verhalten, als wollte er sie aushorchen.«
    Eine Respektsperson auf Besuch, das traf es ausgezeichnet.
    »Was haben Sie eigentlich davon gehalten, dass es bei uns so viele Tiere gibt?«
    »Nun, in gewisser Weise war es recht tröstlich. Es hat mich abgelenkt. An der Tatsache, dass meine Mutter in einem Pflegeheim war, hat es natürlich nichts geändert, aber es hat die Umgebung ein wenig erträglicher gemacht. Mehr wie
daheim
als wie
im Heim,
wissen Sie? Für meinen Sohn war es auch ziemlich wichtig.«
    »Wieso?«
    »Für Kinder ist so ein Pflegeheim nicht gerade ein idealer Ort. Da war es gut, dass er mit Billy oder Munchie spielen konnte, statt einfach auf einem Stuhl zu hocken und sich zu langweilen. Dadurch konnte ich ein wenig mehr Zeit bei meiner Mutter verbringen.«
    »Und als sie starb, war Oscar da bei ihr?«
    »Natürlich. Als es meiner Mutter am Ende deutlich schlechter ging, hat er gemeinsam mit mir immer mehr Zeit in ihrem Zimmer verbracht, als hätte er gewusst, dass ich Unterstützung brauchte. Irgendwie hat er sich richtig mit mir angefreundet, ja mehr als das … ich hatte den Eindruck, dass er mich versteht.«
    Donna sah mir prüfend ins Gesicht, bevor sie fortfuhr. »In den letzten drei Tagen, bevor meine Mutter starb, saß ich praktisch ununterbrochen an ihrem Bett. Geschlafen habe ich in ihrem Liegesessel. Immer wenn ich mich ausruhen wollte, kam Oscar ins Zimmer und hat sich kurz an mich geschmiegt. Dann sprang er von meinem Sessel aufs Bett meiner Mutter, um sich neben sie zu setzen. So hat er sich eigentlich die ganze Zeit verhalten, während meine Mutter im Sterben lag.«
    Wieder machte Donna eine kleine Pause. »Am meisten gewundert hat mich, dass Oscar scheinbar immer wusste, wann er gebraucht wurde, und dass er nie irgendetwas dafür wollte. Klar, er hat sich von mir am Kinn kraulen und am Kopf streicheln lassen, aber selbst das … es war, als ob er gewusst hätte, dass er mir damit half. So war es nämlich. Es wirkt sehr beruhigend, eine Katze zu streicheln, finde ich.«
    »Ganz am Ende, war er da auch da?«
    »Er schon. Einige Stunden bevor meine Mutter starb, kam eine Pflegerin herein, um mit mir zu sprechen. Sie wollte mich dazu bringen, eine Weile nach Hause zu fahren, um mich auszuruhen. Das hielt ich zwar für keine gute Idee, aber ich habe mich überreden lassen. Kurz nachdem ich gegangen war, ist meine Mutter dann gestorben. Ich war nicht da, aber Oscar. Er war bei ihr, als sie den letzten Atemzug getan hat.«
    »War es schlimm für Sie, dass Sie vorher weggegangen waren?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ehrlich gesagt, hat meine Mutter wahrscheinlich darauf gewartet, dass ich weggehe, bevor sie losgelassen hat. So war sie einfach.«
    Donna lächelte. »Außerdem«, sagte sie, »war meine Mutter nicht allein. Sie hatte schließlich Oscar.«

[home]
    Eine Katze ist ein Rätsel,
für das es keine Lösung gibt.
    Hazel Nicholson
    9
    A uf dem Flur der zweiten Etage ging es ungewöhnlich lebhaft zu. Eine kleine Schar von Patienten und Mitarbeitern hatte sich am Stationszimmer versammelt und versperrte mir den Blick auf das Spektakel. Wie ein kleiner Junge, der einen besseren Blick auf einen Umzug erhaschen wollte, schob ich mich durch die Gehwagen der Patienten. Alle Augen waren auf Oscar und Maya gerichtet, die völlig aus dem Häuschen waren. Mit atemberaubender Geschwindigkeit flitzten sie abwechselnd um den Tisch und ließen sich fallen, um sich auf dem Boden zu rollen und alle viere in die Luft zu strecken. Das Ganze sah aus wie ein exaltierter Tanz, dessen Darsteller sich mit einer unbekannten Droge aufgeputscht hatten.
    Nach vorne gelangt, fand ich Mary vor. »Sagen Sie mal, hat jemand den beiden was ins Futter getan?«, fragte ich.
    »Katzenminze«, sagte Mary.
    In Unkenntnis dieses Krauts runzelte ich sorgenvoll die Stirn. »Macht das

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