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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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Zustand ähnelt dem eines kleinen Kindes, das Spinnen an der Wand sieht, wenn es hohes Fieber hat. Ältere Menschen – vor allem, wenn sie Gedächtnisprobleme haben wie Ihre Frau – neigen selbst dann zu Verwirrung, wenn sie harmlose Infektionen haben, von denen sie früher kaum etwas gemerkt hätten. Ein solcher Zustand kann auch dann andauern, wenn die Infektion verschwunden ist.«
    »Wird sie sich davon erholen?«
    »Es ist zu erwarten, dass es ihr mit der Zeit wieder bessergeht, aber das dauert womöglich mehrere Tage oder gar Wochen.«
    »Aber sie isst nichts, Doktor!«
    Ruth stöhnte. Ich ergriff die Gelegenheit, um sie zu untersuchen. Auf der Bettkante sitzend, setzte ich ihr das Stethoskop auf die Brust. Sofort wehrte sie sich dagegen, indem sie sich mit dem Oberkörper aufrichtete und mit der Hand nach mir schlug. Frank stemmte sich von seinem Stuhl hoch und ließ sich neben dem Bett auf den Knien nieder. Dann nahm er die Hand seiner Frau und drückte sie an seine Brust. Sein Gesicht war voll Kummer.
    »Das ist doch nur der Doktor, Ruth«, sagte er in flehentlichem Ton. »Er ist hier, damit es dir bald wieder bessergeht.«
    Frank tat mir leid. Abgesehen davon, die Infektion seiner Frau zu behandeln, konnte ich tatsächlich nur wenig tun, damit es ihr besserging. Trotz aller Wunder der modernen Medizin würde allein die Zeit Ruth heilen – soweit sie überhaupt geheilt werden konnte.
    Immerhin schien die beruhigende Stimme ihres Mannes zu wirken, denn sie sank aufs Bett zurück. Ich setzte meine Untersuchung fort.
    »Wie steht es mit dem Essen, Doktor? Wie kriege ich sie dazu, etwas zu sich zu nehmen?«
    »Momentan gelingt Ihnen das womöglich leider nicht, Frank.«
    »Aber wenn sie nichts isst, wird sie sterben!« Er starrte mich ebenso drohend wie verzweifelt an. »Wollen Sie etwa, dass sie stirbt?«
    »Das will niemand, Frank.«
    »Wie soll sie sich denn ohne Nahrung erholen?«
    Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und gab mir alle Mühe, die richtigen Worte zu wählen. »Frank, angesichts des verwirrten Zustands, in dem Ihre Frau sich befindet, tun wir wirklich alles, was wir können. Alle Schwestern und Helferinnen tun ihr Bestes. Sie setzen sich bei jeder Mahlzeit zu Ruth und versuchen geduldig, sie zu füttern. Ich bin sicher, dass sie dadurch etwas aufnimmt. Außerdem wird sie durch die Infusion nicht nur mit Flüssigkeit, sondern auch mit Nährstoffen versorgt. Sobald sich ihr Zustand bessert, wird sie bestimmt wieder etwas essen, denke ich.«
    »Aber die Infektion ist doch geheilt, Doktor!«
    »Ja, natürlich, nur dauert es eben eine Weile, bis die Verwirrung zurückgeht.« Ich hatte allmählich den Eindruck, dass ich mich ständig wiederholte.
    »Aber wenn sie nichts isst, sollte man dann nicht vielleicht eine Magensonde einführen?«
    Franks Stimme war immer flehentlicher geworden.
    »Ich glaube nicht, dass das etwas ändern würde, Frank«, sagte ich. »Außerdem hat Ihre Frau mir früher einmal gesagt, sie möchte nicht mit einer Magensonde ernährt werden. Sollten wir ihre Wünsche nicht respektieren?«
    Als ich das sagte, wurde mir klar, wie dankbar ich war, dass wir in einem frühen Stadium von Ruths Demenz, als sie noch an Gesprächen über ihre Zukunft teilnehmen konnte, uns zu dritt über dieses Thema unterhalten hatten. Von allen Themen, über die ich mit meinen Patienten und deren Angehörigen spreche, ist dies vielleicht das schwerste. Ich habe Familien gesehen, die buchstäblich zerrissen wurden von der qualvollen Entscheidung, ob man einem Demenzpatienten, der Gewicht verlor, eine Magensonde einführen sollte oder nicht.
    Was die Gespräche darüber so schwer macht, ist nicht zuletzt die weit verbreitete, aber falsche Vorstellung, mit einer Magensonde könne man das Leben verlängern. In Wirklichkeit hat eine solche Vorrichtung in der Endphase einer Demenzerkrankung keinerlei Sinn. Objektiv betrachtet, hat man noch nie nachgewiesen, dass sie das Leben eines Patienten verlängert oder das Auftreten von Lungenentzündungen verhindert hätte. Außerdem sind Magensonden nicht ohne Nebenwirkungen. Um sie einzuführen, bedarf es eines chirurgischen Eingriffs oder einer Endoskopie; sie rutschen leicht heraus, wodurch der Patient ausschließlich deshalb auf die Intensivstation gebracht werden muss, um sie wieder einzusetzen; und schließlich können sie zu Infektionen führen oder schlichtweg verstopfen.
    Es gibt jedoch noch einen weiteren Faktor, der dieses Thema außergewöhnlich

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