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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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    »Ja, Oscar wohnt bei allen Leuten, die auf der Station hier leben.«
    »Und was tut er?«
    »Na ja, hauptsächlich, was Katzen so tun, aber ich glaube, er kümmert sich außerdem um alle.«
    »Wird er sich auch um meine Oma kümmern, solange sie hier ist?«
    »Ja, Freddy, das wird er. Findest du das gut?«
    Freddy dachte einen Augenblick nach, bevor er ernst antwortete: »Ja.«
    Ich fragte mich, ob ein Fünfjähriger wohl wirklich begreifen konnte, was gerade vor sich ging. Konnte er die Endgültigkeit der Lage erfassen, in der seine Großmutter sich befand? Wahrscheinlich nicht. Mein eigener Sohn begann gerade damit, sich mit der Vorstellung vom Tod auseinanderzusetzen. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit Ethan vor kurzem, als ich dabei war, ihn ins Bett zu bringen. »Dad«, sagte er, »wenn ich sterbe, werde ich dann aufs College gehen?«
    Dennoch wirkte Freddy erleichtert durch den Gedanken, dass ein Kater seiner Großmutter half. Er hielt ihm die Hand hin. Oscar schnupperte daran, und ich bekam schon Angst, er könnte kratzen, aber offenbar hatte er nichts dagegen. Er ließ sich von dem Jungen streicheln und schien das sogar zu genießen.
    Die Hospizschwester war mit ihrer Untersuchung fertig und stellte sich den drei Schwestern vor. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich zu verabschieden. Dabei wusste ich, dass ich die drei nicht wiedersehen würde.
    Als ich auf den Flur trat und bereits mit den Gedanken bei dem Schreibkram war, der mich im Stationszimmer erwartete, hörte ich hinter mir eine Stimme.
    »Doktor!«
    Es war Catarina. »Danke, dass Sie sich so viel Zeit für uns genommen haben, Doktor, aber ich habe noch eine Frage. Wir haben eine vierte Schwester, Maria, die in Kalifornien lebt. Sie hat schon fast ihren ganzen Urlaub verbraucht, um uns bei der Pflege zu helfen. Meinen Sie, wir sollen ihr sagen, dass sie kommen soll?«
    Ich blickte zurück ins Zimmer. Durch die Tür sah ich den Umriss von Oscar, der reglos auf dem Bett lag. Sein neuer Freund war immer noch damit beschäftigt, ihn zu streicheln.
    »Ja«, erwiderte ich, ohne zu zögern, »jetzt sollten alle hier sein.«

[home]
    Hunde haben Besitzer,
Katzen haben Personal.
    Unbekannt
    14
    A ls Frühwarnsystem war Oscar geradezu unheimlich erfolgreich. »Was würde wohl geschehen, wenn zwei Patienten zur selben Zeit im Sterben liegen?«, überlegte ich eines Nachmittags, als ich mich nicht lange nach dem Tod von Mrs.Matos mit Mary unterhielt.
    »Das war sogar schon mal der Fall!«, sagte sie. Wir saßen im Stationszimmer am Tisch. Draußen auf dem Flur war alles ruhig. »Es waren zwei Männer, und damals war es schwer zu sagen, wer als Erster sterben würde. Einem der beiden ging es einigermaßen gut. Sie erinnern sich doch noch an Larry Scheer?«
    Ich nickte.
    »Dann wissen Sie ja, dass Larry ein Hospizpatient war. Wir hatten ihn gut eingestellt. Aber der andere Patient – er lag auf der anderen Seite der Station – hatte es sehr schwer. Er litt unter großer Atemnot, gegen die es kein Mittel gab. Oscar entschied sich, bei ihm zu bleiben.«
    »Als ob er gespürt hätte, dass es für diesen Mann besonders schwer war?«, sagte ich.
    Mary nickte. »Seine Frau war da und hat miterlebt, wie sich alles entwickelt hat. Ich weiß noch, wie ich sie auf dem Flur gesehen habe und dachte, wie schrecklich es für sie sein muss, aber sie hat die Lage akzeptiert. Als ich sie gefragt habe, ob ich etwas für sie tun kann, hat sie erwidert, Oscar wäre bei ihrem Mann, und gemeinsam würden sie es schon schaffen.«
    »Das hört sich ganz so an, als hätte Oscar sie ein wenig von dem schlimmen Anblick abgelenkt, den ihr Mann geboten hat.«
    »Wahrscheinlich«, sagte Mary nachdenklich. »Einmal hat sie sogar ihre Kamera hervorgeholt, um ein Foto von Oscar zu machen. Ich fand es irgendwie tröstlich, dass sie eine Erinnerung an diesen schweren Augenblick haben wollte.«
    Ich blickte suchend den Flur entlang. Maya lag zusammengerollt auf einem Sessel in der Nähe. Keine Spur von Oscar.
    »Wo ist er eigentlich?«, fragte ich.
    »Die Nacht über war er bei einem Patienten, und da ist er wohl völlig erledigt. An solchen Tagen verschwindet er irgendwohin. Es ist, als würde er eine Zeit lang im Winterschlaf liegen.«
    »Frisst er eigentlich etwas, wenn er bei jemandem ist?«
    »Manchmal schon, aber dafür nimmt er sich nicht viel Zeit. Er kommt für zwei, drei Minuten heraus, holt sich einen Brocken und setzt sich dann aber gleich wieder neben den Patienten.

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