Osiris Ritual
und
möglicherweise eine Art Mumifizierungstechnik beschrieb. Markierungen
bezeichneten die Stellen, wo man ein Loch in die Stirn bohren und etwas â
vermutlich die Gehirnmasse â mit einem langen, dünnen Werkzeug entfernen
konnte. Hieroglyphen erläuterten die bizarre Illustration.
Newbury gab Renwick das Buch zurück. »Was sagt mir das?«
»Im Grunde wird einer von Thutmosisâ Priestern angeklagt, weil er
sich blasphemisch verhalten hat. Er hat versucht, sein Leben in der physischen
Welt zu verlängern und sich dem Urteil des Osiris zu entziehen. Es heiÃt, er
habe ein âºOsirisritualâ¹ entwickelt, das ihm seine Langlebigkeit sicherte, doch
seien alle Aufzeichnungen über das Ritual verloren.«
Renwick zuckte mit den Schultern. »Anscheinend hat dieser Priester nicht an die
Wiederauferstehung des Geistes geglaubt, oder er wollte seinen irdischen Besitz
nicht aufgeben.«
Newbury lächelte. »Was ist dann passiert? Wie kommen Sie auf die
Idee, dass es eine Verbindung gibt zwischen dieser Geschichte und der Mumie,
die in Winthrops Esszimmer liegt?«
»Ah ⦠nun ja, wegen der Strafen, die dem Priester auferlegt wurden,
und aufgrund Ihrer Beschreibung des Sargs. Das Dokument hier führt all die
schrecklichen Dinge auf, die man getan hat, damit der Priester auf jeden Fall
sowohl in der physischen Welt als auch im Jenseits einen vollständigen und sehr
realen Tod erlitt. Er wurde im Grunde aus der Geschichte gelöscht.« Renwick hob den Kopf, als der Kessel auf dem Ofen pfiff.
Er legte das Buch auf die Armlehne von Newburys Stuhl und holte eine Tasse und
ein Sieb. Während er den Tee aufgoss, sprach er weiter. »Zuerst einmal haben
sie dem Mann seinen Namen genommen und in seinem Haus, bei seiner Familie und
im Tempel alle Hinweise auf ihn getilgt. Sie haben sogar eine königliche Stele
zerstört, weil sie den Namen des Priesters trug. Sie lieÃen keinen Stein auf
dem anderen. Ohne Namen durfte eine ägyptische Seele ja nicht ins Jenseits
übertreten. Erst nach seinem Tod bezeichneten die anderen den namenlosen
Priester als Khemosiri.« Renwick hustete laut und tastete
nach seinem Tabaksbeutel, den er schlieÃlich zwischen den Flaschen und Ampullen
auf dem Arbeitstisch fand. Er drehte sich eine Zigarette, und als der Tee lange
genug gezogen hatte, gab er Newbury die Tasse Earl Grey und klemmte sich die Zigarette
in den Mundwinkel. »Als Nächstes hat man ihn dazu verurteilt, lebendig
mumifiziert zu werden. Sein Körper sollte als Warnung an alle erhalten bleiben,
die womöglich ähnliche Ansichten und Wünsche hegten.«
Newbury schüttelte den Kopf. »Sie hätten den Gesichtsausdruck sehen
sollen, Aldous. Das war sogar für mich etwas Neues. Er muss entsetzlich
gelitten haben.«
»Daran zweiï¬e ich nicht«, meinte Renwick mit ernster Miene. »Wissen
Sie, was sie mit den Menschen während der Mumifizierung getan haben?«
»Die Prozedur ist mir bekannt.« Newbury
runzelte die Stirn. »Ich kann mir vorstellen, wie sie ihn zugerichtet haben. Es
ist barbarisch.«
»Hm, ja, aber damit war es noch nicht vorbei. Die Liste ist noch
länger. Nachdem der Name des Priesters gelöscht und die Mumifizierung
abgeschlossen war, entschied man, einen Fluch auf die Leinentücher zu
schreiben, die seinen Körper bedeckten. Er wurde in einem schwarzen und goldenen
Sarg bestattet, der seinerseits mit Schutzsprüchen und Warnungen beschriftet
wurde. Er sollte an einem unbekannten Ort begraben werden, damit keine Diebe
zufällig auf die verï¬uchten Ãberreste stieÃen.«
Newbury beugte sich vor. »Das alles passt hervorragend zu der
Beschreibung der Mumie. Ich glaube, Sie haben unseren Mann identifiziert. Wie
zum Teufel ist Ihnen das gelungen?«
Renwick grinste. Das künstliche Auge mit der Glasscheibe schimmerte
im kalten elektrischen Licht der Kugel. »Eine halb vergessene Geschichte, mehr
war es nicht. Ihr Brief hat eine Erinnerung geweckt. Ich habe das Buch
gefunden, die Schrift der Priester gelesen und erkannt, dass Khemosiri Ihr Mann
ist.«
»Ich frage mich, warum Peterson nicht draufgekommen ist.«
»Was denn, ein Mann im British Museum? Newbury, wie ich schon sagte,
ist Khemosiri kaum mehr als eine FuÃnote. Er wird in einem obskuren Dokument
nur ein einziges Mal erwähnt, und die meisten Forscher würden es als reine
Erfindung abtun. Nur Spezialisten
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