Osiris Ritual
ihr Gewicht in Bewegung gesetzt hatte.
Dieser Mechanismus hatte es Alfonso ermöglicht, die Frauen während seines Auftritts
verschwinden zu lassen. Das Chloroform erklärte auch, warum die Frauen, die
freigelassen wurden, so benommen und desorientiert waren. Und die Frauen, die
nicht mehr freikamen ⦠Veronica dachte lieber nicht weiter darüber nach.
Sie hatte keine Ahnung, was sie noch tun konnte. Sie steckte unter
der Bühne in einer engen Holzkiste, die sie unweigerlich zu einem unbekannten
Ziel beförderte, wo vermutlich Alfonso auf sie wartete. Seine Motive waren ihr
immer noch nicht recht klar. Dieses Mal war jedoch niemand da, der sie retten
konnte. Sie verï¬uchte sich selbst, weil sie nicht auf Sir Maurice gehört hatte.
Niemand wusste, dass sie hier war. Sie musste den Tatsachen ins Gesicht sehen.
Ihr lief die Zeit davon. Wenn sie nicht bald einen Ausweg fand, würde sie
höchstwahrscheinlich in dem Sarg sterben, sofern sie nicht noch etwas viel
Schlimmeres erlitt. Sie rief und wusste doch, dass es sinnlos war. Der einzige
Mensch, der sie hören konnte, war der Mann, der sie gefangen hatte.
Der Blumenduft des Chloroforms wurde unerträglich, Veronicas Sinne
trübten sich. Sie musste dagegen ankämpfen, sie durfte auf keinen Fall
ohnmächtig werden, ganz egal, was geschah. Wer konnte schon sagen, was Alfonso
mit ihr vorhatte! Keuchend holte sie Luft. Doch in dieser Situation war ihr
Schicksal unausweichlich. Der Sarg glitt langsam weiter nach unten.
Bald darauf umfing sie die Dunkelheit.
15
Newbury schoss um die Ecke in Blakes Salon und erwartete
auf einen groÃen Mann in einem dicken schwarzen Mantel zu treffen. Stattdessen stieÃ
er auf einen jüngeren, zierlicheren Kerl, der eine braune Cordjacke und Hosen
trug. Der Mann drehte sich erschrocken um, als Newbury hereinplatzte.
»Ah, Sir Maurice! Gott sei Dank, dass Sie hier sind. Ich wollte
gerade die Polizei rufen.«
»Purefoy! Was, zum Teufel  â¦Â« Newbury lieà die Fäuste sinken, aber
nur ein Stückchen. Sein Blick fiel auf die mit Blut bespritzte Leiche auf dem
Boden, dann wandte er sich wieder an den jungen Reporter.
»Ich kann das erklären«, sagte Purefoy sichtlich verlegen.
Newbury betrachtete ihn. Ob der junge Mann irgendwie mit den Morden
zu tun hatte? Das hielt er zwar für unwahrscheinlich, doch dies war bereits das
zweite Mal, dass er Purefoy an einem Tatort begegnete. Worin bestand dessen
Verbindung zu den Toten? In diesem Moment konnte Newbury eine Beteiligung des
Reporters jedenfalls nicht völlig ausschlieÃen. Er hoffte aber, dass es nur der
Instinkt des Journalisten gewesen war, der Purefoy zu den Tatorten geführt
hatte.
Jedenfalls gab es Fragen, die beantwortet werden mussten. »Mister
Purefoy, das ist bereits das zweite Mal, dass wir uns unter nicht eben
erfreulichen Begleitumständen begegnen. Ich glaube, wir müssen uns noch einmal
eingehend unterhalten.« Purefoy nickte ernst und
betreten. »Also erklären Sie mir, was Sie in der Wohnung eines Ermordeten zu
suchen haben und warum Sie seine Habseligkeiten durchwühlen.«
Purefoy legte den Papierstapel, den er festgehalten hatte, auf den
Palisanderschreibtisch an der hinteren Wand und durchquerte den Raum, bis er
vor Newbury stand. Ãberall war Blakes Besitz verstreut, von schönen
Antiquitäten bis zu alten Ausgaben der Times .
»Haben Sie dieses Durcheinander angerichtet?«
»Nein! Ganz und gar nicht. Es war schon so, als ich die Wohnung
betreten habe. Der Mörder hat anscheinend etwas gesucht, genau wie bei Lord
Winthrop.«
Newbury seufzte. »Hm. Immer mit der Ruhe. Sie ziehen voreilige
Schlussfolgerungen.«
»Was für Schlussfolgerungen?«, fragte
Purefoy verwirrt.
»Dass derjenige, der Lord Winthrop ermordet hat, derselbe ist, der
auch für dies hier verantwortlich ist.« Er verzog das
Gesicht, als er auf Blakes Leichnam hinabblickte, der nur ein paar Schritte vor
ihm lag. Er räusperte sich und überlegte. »Nun erzählen Sie mal, was hatten Sie
hier zu suchen?«
»Ich wollte Wilfred Blake wegen der Expedition interviewen. Und zur
Ermordung Winthrops. Ich wollte ihn fragen, ob er dazu einen Kommentar abgibt.
Ob er vielleicht das Gefühl habe, auch sein Leben sei in Gefahr â¦Â« Er sprach
nicht weiter, weil ihm die Bedeutung seiner eigenen Worte dämmerte. Offen
erwiderte er Newburys Blick und seufzte. »Um
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