Osiris Ritual
auf Winthrops Party gesehen haben.
Zusammen mit diesem alten Priester wurden wohl einige Geheimnisse beerdigt.
Geheimnisse, die unser Mörder anscheinend unbedingt ergründen will.«
Purefoy nickte. »Und was jetzt?«
Newbury blickte zu dem gekrümmten Leichnam auf dem Boden. »Jetzt
untersuchen wir den Toten.«
»Drehen Sie mal da drüben die Gaszufuhr auf, Purefoy. Es ist
hier drinnen viel zu dunkel. Ach ja, und sehen Sie sich doch um, ob es irgendwo
etwas Weinbrand gibt.«
»Wollen Sie damit die Wunde reinigen?«,
fragte Purefoy verblüfft.
Newbury hob ernst den Blick. »Nein. Ich will ihn trinken.« Purefoy lachte auf und machte sich ans Werk.
Newbury kniete schon vor dem Toten. Die Leiche war voller Blut und
schrecklich zugerichtet. Die Kehle des Mannes war praktisch nicht mehr
vorhanden, herausgerissen mit einem stumpfen Instrument wie einem alten
Federmesser oder einem Brieföffner. Dies sah ganz anders aus als Winthrops
Ermordung. Mit weniger Finesse ausgeführt, aber nicht minder wirkungsvoll. Newbury
war sicher, dass ein und derselbe Mörder für beide Taten verantwortlich war.
Auch das Motiv war das gleiche: Das Opfer besaà etwas, das der Mörder haben
wollte.
Newbury ging im Geiste durch, was seiner Ansicht nach geschehen war.
Blake war von hinten gepackt worden, und der Mörder hatte ihm brutal von rechts
nach links die Kehle durchgeschnitten. Dann hatte er
die Leiche einfach auf den Boden fallen und auf dem Wachstuch ausbluten lassen.
Das zuvor weiÃe Hemd war rot verfärbt, und die Augen starrten zur Decke, als
suchten sie einen abwesenden Gott. Inzwischen wurden sie bereits trüb und
milchig. Schaudernd drückte Newbury mit den Fingerspitzen die Augenlider zu. Es
war ein zweifelhafter Behelf, doch er konnte das kalte, vorwurfsvolle Starren
nicht länger ertragen. Inzwischen war er auch der Meinung, sie hätten den Mann
beizeiten warnen müssen. Das würde er später noch mit Charles erörtern. Auch
die anderen Expeditionsteilnehmer mussten beschützt werden.
Newbury wiegte sich in der Hocke hin und her. Das Problem bestand
wohl nicht darin, den Mörder zu identifizieren, denn er war längst überzeugt,
dass Ashford der Täter war, sondern darin, seiner habhaft zu werden. Ashford
verstand sich darauf zu verschwinden, so viel war Newbury inzwischen klar. Der
Verbrecher hatte jahrelang getarnt in einer der gefährlichsten Städte der Welt
gelebt. Ein Agent, der so etwas überlebte, lernte zwangsläufig eine Handvoll
neuer Tricks. Davon mal ganz abgesehen, hatte Ashford einst als Agent für die
britische Krone gearbeitet und mindestens die gleiche Ausbildung genossen wie
Newbury selbst. Wenn Ashford versteckt agieren wollte, musste Newbury sich auf
ein sehr ausgedehntes Katz-und-Maus-Spiel gefasst machen.
Er sah sich über die Schulter um und blickte zur Tür. Hoffentlich
kam bald der Weinbrand. Seine Haut juckte überall, und der Schweià brach ihm
aus. Wie er genau wusste, waren das die Symptome seiner Sucht. Der Alkohol
sollte sie ein wenig lindern, wenigstens für eine kurze Zeit. Er lauschte, was
Purefoy tat, und konnte nichts hören. Einen Moment lang geriet er fast in
Panik, weil er fürchtete, er habe Purefoy eine perfekte Gelegenheit verschafft,
sich zu verdrücken, doch gleich darauf kam der Reporter aus dem Flur herein und
brachte ein groÃes Glas mit, das er ihm lächelnd überreichte. »Hier, Sir. Ich
hoffe, es hilft.« Newbury musterte ihn misstrauisch.
Der Bursche konnte doch nicht wissen, dass ⦠oder doch? Newbury nahm das Glas.
Er hatte keine Zeit, sich weiter mit dieser Frage zu befassen.
Purefoy beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und
betrachtete mit seinen unerfahrenen Augen den Toten. »Und was sagt uns die
Leiche?«
Newbury folgte seinem Blick. Es konnte nicht schaden, Purefoy auf
die Einzelheiten aufmerksam zu machen. Er hatte dem Jungen reichlich
Gelegenheit gegeben, sich zu verraten, und bisher hatte der sein Vertrauen
nicht enttäuscht. Er war aufmerksam und neugierig und konnte sich noch sehr
nützlich machen, wenn es darum ging, Ashford zur Strecke zu bringen. »Unter der
Voraussetzung, dass dies alles nicht in der Morgenausgabe erscheint â¦Â« Er hielt
inne und wartete, bis Purefoy nickte, ehe er weitersprach. Dann deutete er auf
Blakes verstümmelten Hals. »Der Mörder hat ihm von hinten die
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