Osiris Ritual
Miene,
während er immer wieder versuchte, ein Schwert in seinen umgedrehten Hut zu
stoÃen. Offensichtlich probte er eine neue Illusion.
Veronica blieb hinten im Schatten stehen und beobachtete den
Zauberkünstler. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Alfonso versuchte es ein weiteres
Mal. Sein Zylinder stand umgekehrt auf einem kleinen runden Tisch mitten auf
der Bühne. Veronica konnte zwischen den drei Holzbeinen hindurchblicken.
Darunter schien sich nichts zu befinden, obwohl sie sicher war, dass der Tisch
auf irgendeine Weise manipuliert war. Alfonso hob ein Schwert, setzte die
Spitze ins Innere des Huts und stieà sie energisch abwärts. Dieses Mal schien
es zu gelingen. Die Klinge glitt in den Hut hinein, bis nur noch das Heft, das
Alfonso weiter festhielt, oben herausragte. Die Klinge selbst war jedoch
verschwunden und hatte, soweit Veronica es beurteilen konnte, auch nicht die
Tischplatte durchbohrt. Zwischen den Beinen des Tischchens ragte jedenfalls
nichts hervor. Veronica fand, dass es eine wundervolle Illusion war. Ob es eine
zusammenschiebbare Klinge oder, wie sie zuerst vermutet hatte, eine Täuschung
mithilfe des Lichts war, vermochte sie nicht zu sagen. Wahrscheinlich war die
Klinge durch einen Spalt im Tisch gefahren und vom Zuschauerraum aus nicht mehr
zu sehen.
Alfonso trat zurück und rieb sich mit der Hand über das Kinn,
während er lächelnd sein Werk begutachtete. Veronica ergriff die Gelegenheit,
nach vorn zu gehen. Sie gab sich keine Mühe, sich heimlich zu nähern, sondern
stieg die Treppe im hinteren Teil des Zuschauerraums hinab und ging an den
Sitzreihen entlang, wobei ihre Schritte laut auf dem Holzboden pochten. Alfonso
drehte sich um und betrachtete sie überrascht. Offensichtlich hatte er nicht
mit Besuchern gerechnet. ÃuÃerlich völlig ruhig brachte Veronica sich in
Erinnerung. »Guten Tag, Mister Alfonso. Ich bin Miss Veronica Hobbes.
Vielleicht entsinnen Sie sich, dass wir uns Anfang der Woche schon einmal
begegnet sind.«
Alfonso kniff die Augen zusammen und musterte Veronica
geringschätzig. »Ja, ich erinnere mich durchaus. Anscheinend haben Sie sich
aber heute Abend die Mühe ganz vergebens gemacht, denn das Theater ist
geschlossen. Ich muss Sie leider bitten zu gehen.«
Veronica lächelte. »Ah ja. Ich fürchte, ganz so einfach ist es
nicht. In Bezug auf Miss Rebecca Irlam habe ich noch einige Fragen an Sie.«
»In Bezug auf wen?« Alfonso runzelte die Stirn, und dann nickte er,
als dämmerte es ihm erst mit Verspätung. »Ja, richtig, das Mädchen, das gestern
Abend auf dem Heimweg vom Theater verschwunden ist. Eine traurige Sache. Ich
habe der Polizei allerdings schon alle Informationen gegeben, die ich hatte.« Er winkte abwehrend. »Sie werden hoffentlich verstehen,
dass ich ein viel beschäftigter Mann bin. Wenn ich Sie nun bitten dürfte, das Theater
zu verlassen â¦Â« Er kehrte ihr den Rücken zu und betrachtete den Schwertgriff,
der immer noch aus dem Hut hervorragte.
So einfach lieà Veronica sich nicht abwimmeln. Ihr Blick war hart,
die Augen glänzten im grellen elektrischen Licht, als sie die kleine Treppe zur
Bühne hinaufstieg. Bei ihrem ersten Besuch hatte sie gar nicht bemerkt, wie
hoch die Bühne eigentlich war. Sie betrachtete den Zauberkünstler, das Kinn
energisch vorgeschoben. Ihr Blut kochte. »Mister Alfonso, aus welchem Grund
wurde die für heute Abend angesetzte Vorstellung abgesagt? Ich nehme doch an,
dass Ihnen damit beträchtliche Einnahmen entgehen. Wollen Sie etwa Ihr
Gastspiel im Archibald Theatre vorzeitig beenden? Bislang war es doch
anscheinend ein glänzender Erfolg.«
Alfonso wirkte etwas verlegen. »So ungefähr«, murmelte er leise.
Veronica trat näher an ihn heran. »Hören Sie, Miss Hobbes, ich versichere
Ihnen, dass ich nichts mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun habe!« Er war jetzt ausgesprochen nervös.
»Ah, dann haben Sie das Mädchen gestern Abend gar nicht auf der
Bühne verschwinden lassen?«
Allmählich regte er sich auf. »Nicht dieses Verschwinden, das meinte
ich doch nicht. Dasjenige, das sich später ereignet hat, nachdem sie das Theater
verlassen hatte.«
»Mir scheint, Sie wollen Haare spalten.«
Veronica stemmte die Hände in die Hüften. »Mister Alfonso â oder wie Sie auch
heiÃen â, ich würde doch annehmen, dass das genaue
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