Osiris Ritual
diese Beschaulichkeit in einer Welt, in der
es so viel Chaos gab. Miss Hobbes und Miss Coulthard saÃen
bereits an ihren Schreibtischen und waren in ihre Arbeit vertieft.
»Guten Morgen, meine Damen.« Newbury nahm den Hut ab. »Rieche ich da
etwa einen frisch gebrühten Earl Grey?« Er strahlte
Miss Coulthard an, die sofort nickte und sich zum Ofen aufmachte, um ihm eine
Tasse zu bringen. Newbury durchquerte den Raum, ohne den Mantel auszuziehen,
und betrat das kleinere Büro, in dem Veronica arbeitete. »Miss Hobbes, wie geht
es Ihnen?«
Veronica schob die Papiere zur Seite und hob den Kopf. »Mir geht es
gut, Sir Maurice.«
Newbury senkte die Stimme und sah sich kurz zu Miss Coulthard um,
die noch am Ofen beschäftigt war. »Es ist nur ⦠nach dem so schwierigen
gestrigen Tag frage ich mich â¦Â«
»Nein, da gibt es keine Fragen«, unterbrach Veronica ihn. »Mir geht
es wirklich gut.«
»Das freut mich zu hören. Wollen wir uns dann mit Miss Coulthards
ausgezeichnetem Tee stärken, bevor wir uns auf die Suche nach dem Schurken
begeben?«
Veronica runzelte die Stirn. »Haben Sie denn eine Ahnung, wo wir mit
der Fahndung nach Knox beginnen sollten?« Sie strich
abwesend über ihr linkes Handgelenk, wo allen ihren Beteuerungen zum Trotz ein
rotes Mal davon zeugte, dass sie nur wenige Stunden zuvor brutal gefesselt
worden war.
Newbury nickte bedächtig. »Möglicherweise. Ich glaube immer noch,
dass Ashford die Antwort wissen könnte. Vorher möchte ich Sie allerdings noch
mit jemandem bekannt machen.« Als die Sekretärin mit
einem silbernen Tablett kam, drehte er sich um. »Danke, Miss Coulthard. Seien
Sie doch so nett und stellen Sie den Tee auf meinen Schreibtisch.« Er knöpfte sich den Mantel auf.
Miss Coulthard suchte wie gewünscht auf der recht unordentlichen
Schreibï¬Ã¤che einen Platz für das Tablett. Dann wandte sie sich an Newbury,
griff in die Tasche ihrer Bluse und zog einen kleinen, ordentlich gefalteten
Zettel heraus. »Die Informationen, die Sie haben wollten, Sir.«
Newbury riss erstaunt die strahlend grünen Augen auf. »Ah,
wundervoll! Vielen Dank, Miss Coulthard.« Er nahm den Zettel und schob ihn
vorsichtig in die Hosentasche, ohne ihn aufzufalten.
»Keine Ursache, Sir. AuÃerdem ist eine Nachricht von Sir Charles
gekommen. Er bittet Sie, ihn so bald wie möglich in Scotland Yard aufzusuchen.«
»Das werde ich tun, Miss Coulthard. Vielen Dank.«
»Jawohl, Sir.« Sie kehrte an ihren eigenen
Schreibtisch zurück und war schon wieder an der Arbeit, ehe Newbury sich der
dicken Winterkleidung entledigt hatte.
Lächelnd warf er den Mantel über den Schreibtisch und legte den Hut
daneben. Dann nahm er die dampfende Teekanne und drehte sich zu Veronica um. »Möchten
Sie einen Tee?«
George Purefoys Wohnung befand sich über einer Schneiderei in
Ladbroke Grove. Der Laden besaà zwei groÃe Panoramafenster, in denen teure
Abendanzüge, Hüte, Handschuhe und Gehstöcke ausgestellt waren. Die Stadt lag
immer noch unter einer dicken Decke aus gelbem Nebel, der keinesfalls bereit
schien, im Laufe des Vormittags zu weichen. Im Geschäft brannte Licht. Durch
das Schaufenster konnte Newbury einige dunkle Schemen entdecken, offenbar die
Angestellten, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Links neben den Schaufenstern
gab es eine neutrale grüne Tür, bei der es sich wahrscheinlich um den Zugang zu
Purefoys Wohnung handelte.
Veronicas Protesten zum Trotz hatte Newbury darauf bestanden, mit
einer dampfgetriebenen Droschke zu fahren, da er keine weitere Zeit vergeuden
wollte. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ein wenig spitz darauf
hinzuweisen, dass sie ja auch auf den Tee hätten verzichten können, wenn es
denn wirklich so eilig wäre, doch Newbury hatte nur gelacht und die Droschke
angehalten. Rituale waren ihm wichtig. Sie schenkten ihm die Zeit zum
Nachdenken.
Am Ziel half er Veronica beim Aussteigen. Sie warf einen
missbilligenden Blick auf das Fahrzeug und rümpfte über die pochende Maschine
die Nase, während Newbury schon zu Purefoys Tür unterwegs war. Er zog den
Handschuh aus und betätigte energisch den Türklopfer aus Messing. Neben ihm
bibberte Veronica in der Kälte.
Einige Augenblicke vergingen. Drinnen rührte sich nichts. Newbury
klopfte noch einmal an und trat auf die StraÃe zurück, um zum Fenster
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