Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
Vom Netzwerk:
jetzt mehr und
hatte begriffen, dass sie ihm etwas sehr Wichtiges verschwieg. Sein Zorn über
Purefoys Tod war nicht verraucht – ganz im Gegenteil, er nahm mit jeder Minute
an Kraft zu und verband sich auf eine schreckliche Weise mit dem Gefühl, von
seiner Assistentin verraten worden zu sein. Unangenehme Fragen drängten sich
ihm auf. Wenn sie früher eingegriffen hätte, wenn sie ihn vor Knox gewarnt
hätte, wäre Purefoy dann vielleicht noch am Leben? Hatte sie die ganze Zeit
über Ashford Bescheid gewusst? Woher stammten ihre Informationen über Knox? All
diese Fragen bedurften der Antwort, doch sie auch nur zu stellen, passte nicht
zu seinen Gefühlen für diese Frau. Wenn er sie befragte, lief er Gefahr, sie
völlig zu verlieren. Also beschloss er, dass es das kleinere Übel sei, vorerst
auf die Antworten zu verzichten.
    Veronica drehte sich zu ihm herum und riss ihn aus seinen Gedanken.
»Sir Maurice, ich dachte, wir fahren zu den Londoner Docks?«
    Newbury nickte langsam. »Das tun wir auch. Zuerst will ich jedoch
noch einen Zwischenhalt einlegen.« Veronica runzelte
die Stirn. »Ich glaube, ich weiß, wo Ashford steckt. Ich muss mit ihm reden.«
    Veronica nickte wild entschlossen. »Na gut.« Der Augenblick dehnte
sich, und sie blickten einander schweigend an. Keiner wollte als Erster den
Blick abwenden. Nach einer Weile gab Newbury nach und sah aus dem Fenster. Er
hatte ein schreckliches Gefühl, dass er bald die ganze Wahrheit erfahren würde.
    Schließlich hielt die Droschke in der nebligen Wildnis von Bethnal
Green an. Newbury stand auf. »Sie warten hier, Miss Hobbes. Ich bin gleich
wieder da.« Er stieß die Tür auf und stieg auf die
ruhige Straße hinab. Es war noch früh, und diese friedliche Wohngegend war noch
nicht erwacht. Newbury zog eine kleine beige Karte aus der inneren Jackentasche
und entfaltete sie. Miss Coulthard hatte in ihrer ordentlichen Handschrift eine
Adresse notiert, die dem Haus direkt vor ihm entsprach. In mancher Hinsicht
ähnelte es Newburys eigenem Heim: ein kleines, terrassenförmig angelegtes
Gebäude mit zwei großen Panoramafenstern, eines in jeder Etage, davor ein
kleiner Garten mit Topfpflanzen und eine königsblau lackierte Kassettentür.
Vorne und seitlich war der Vorgarten mit einem hüfthohen Geländer eingefriedet.
Zwischen diesem und dem nächsten Haus am Hang verlief eine schwach beleuchtete
Gasse.
    Newbury hatte den Eindruck, dies sei für eine Witwe, die von der
Pension eines Agenten lebte, eine recht teure Behausung. Dennoch war es
offensichtlich die Adresse, die Miss Coulthard herausgefunden hatte. Newbury
näherte sich langsam dem Gebäude, blieb einen Moment vor der Tür stehen und
überlegte, ob er den Messingklopfer benutzen sollte. Dann besann er sich und
schlich zum Fenster, um ins Wohnzimmer zu spähen.
    Der Raum war von einer Gaslampe hell erleuchtet und gut möbliert.
Der Agent bemerkte eine Kommode, zwei Sessel und ein Sofa. Ein großer Kamin
dominierte den Raum, allerdings war der Feuerrost kalt und dunkel. Eine hübsche
Frau von Ende zwanzig mit rotblondem Haar saß mit zwei Kindern auf dem Boden:
ein Knabe von etwa acht Jahren und ein etwas jüngeres Mädchen. Die beiden waren
offenbar Geschwister. Sie spielten ein Würfelspiel. Newbury lächelte über die
strahlenden und lachenden Gesichter der Kinder und der Mutter. Ohne den Kopf
herumzudrehen, sagte er leise: »Sie müssen sich bald stellen, Ashford. Dieses
Herumgerenne tut keinem von uns gut. Ich soll Sie persönlich festnehmen, aber
ich habe zu viel mit diesem verdammten Knox zu tun. Ich will zu den Londoner
Docks, ehe er wieder verschwindet.« Nun drehte er den
Kopf ein wenig herum, und Ashford trat aus dem Schatten neben dem Gebäude.
Durchdringend starrte ihn der Mann an. »Ich weiß, dass Sie das Richtige tun
werden«, fügte Newbury hinzu.
    Ashford nahm die Kapuze ab, und wieder betrachtete Newbury entsetzt
die gelbe, verwesende Haut und die Entstellungen, die Dr. Fabians Maschinerie
ihm zugefügt hatte. Der schwarze Mantel war zerfetzt und hing locker um die
Schultern, die mechanische Pumpe in der Brust war gut zu erkennen. Newbury
bemerkte auch die Stellen an den Ellenbogen, wo die Begegnung mit der Untergrundbahn
die Haut bis auf die Messinggelenke abgeschürft hatte. Die Schläuche, die
zwischen Schädel und Brust verliefen, bewegten

Weitere Kostenlose Bücher