Osiris Ritual
sich an Veronica, die hinter ihm auf
dem Treppenabsatz stand. »Er spielt mit uns.«
Veronica hustete. »Wen meinen Sie? Knox?«
»Ja. Purefoy hat doch ganz gewiss keine Bedrohung für den Verbrecher
dargestellt.«
Veronica schüttelte den Kopf und schluckte schwer. »Ich glaube
nicht, dass das eine Rolle spielt, Sir Maurice. Das
Vorgehen ist doch das gleiche wie bisher. Er räumt hinter sich auf. Er muss
gewusst haben, dass Purefoy neugierig war und mit Ihnen zu tun hatte, und er
kannte den Artikel über Winthrops Mumie. Knox wollte ihn aus dem Weg räumen.«
Newbury nickte schweigend. Dann betrat er den Raum und betrachtete
traurig die Leiche.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte
Veronica hinter ihm. Sie war an der Tür stehen geblieben und wollte oder konnte
nicht eintreten.
Newbury zögerte. »Er ⦠er hat versucht, die Zukunft vorherzusagen.
In vielen alten Ritualen werden Katzen, Hunde oder ï¬ugunfähige Vögel
ausgeweidet. Er hat es mit Purefoy getan.«
»Mein Gott â¦Â« Auch Veronicas Stimme war voller Bedauern.
»Anscheinend hat ihn dabei jemand gestört. Vermutlich Ashford. Sonst
hätte es keinen Grund gegeben, die Objekte hier zurückzulassen.«
»Warum? Sagen sie Ihnen etwas?«
»Möglicherweise.« Newbury betrachtete die Gegenstände in der
Bauchhöhle seines toten Freundes.
Veronica schüttelte den Kopf. »Die Zeit wird knapp. Als Nächstes wird
er wohl verschwinden und sich in einem Loch verkriechen.«
Newbury war anderer Ansicht. Er bückte sich und zog vorsichtig die
Tarotkarte aus dem blutigen Durcheinander auf dem Boden. »Nein, Miss Hobbes. Er
wird vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes untertauchen. Alte Gewohnheiten
schüttelt man schwer ab. Er wird sich unter Wasser verstecken.«
Veronica starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Was denn, in
den Docks?«
Newbury nickte. »Das Ass der Kelche. Wasser. Dort hat man Ashfords
Leichnam beim letzten Mal gefunden. Als er Knox störte, hat Ashford uns einen
gröÃeren Gefallen getan, als ihm selbst bewusst war.«
Mit stählernen Augen sah er sich um. »Wir haben jetzt eine Spur.«
Veronica richtete sich auf. »Soll ich die Polizei holen?«
Newbury betrachtete Purefoys Gesicht. Als er Veronicas Frage hörte,
riss er den Kopf hoch. »Nein. Keine Polizei. Nicht einmal Charles. Wir bringen
es allein zu Ende.« Veronica schauderte, als sie seine
Stimme hörte. Sie warf einen Blick auf die schreckliche Hinterlassenschaft des
Rituals.
»Funktioniert es denn?«
»Was meinen Sie? Die Weissagung? Nein.«
Veronica schüttelte den Kopf. »Das Osirisritual. Funktioniert es?«
Newbury seufzte. »Es gibt mehr Dinge in der Welt, als ich ergründen
kann, Miss Hobbes. Aber Khemosiri hatte keinen Erfolg, und ich glaube, auch
Knox wird das alles nicht helfen.«
»Trotzdem â¦Â« Veronica führte den Gedanken nicht zu Ende.
Newbury lächelte leicht. »Trotzdem.« Er lieà die Tarotkarte neben
dem Toten auf den Boden fallen, drehte sich um und sah sich in der Wohnung um.
Gleich darauf kehrte er mit einem groÃen weiÃen Laken zurück, das er offenbar
von Purefoys Bett genommen hatte. Er kniete neben dem Toten nieder und legte das
improvisierte Leichentuch über ihn, um das Zerstörungswerk zu verdecken. Bevor
er Purefoys Gesicht verhüllte, schloss er mit den Fingerspitzen die Augen des
Reporters.
Dann fasste er Veronica energisch am Arm und führte sie aus der
Wohnung. Nun hatte er nur noch eines im Sinn: Rache.
23
Veronica federte auf ihrem Sitz auf und ab, als die
Droschke durch die Stadt raste. Newbury saà ihr gegenüber und beobachtete sie.
Sie hatte den Kopf abgewandt und blickte aus dem Fenster. Bewundernd
betrachtete er ihr Profil. Kein Zweifel, sie war schön, und in den wenigen Monaten,
seit er sie kannte, war sie geradezu aufgeblüht und hatte ein starkes Selbstvertrauen
entwickelt. Für Newbury war sie beinahe der vollkommene Inbegriff einer Frau.
Jetzt gerade bemühte sie sich blinzelnd, den Nebel zu durchdringen, als wollte
sie die dicken grauen Schwaden drauÃen mit ihrer bloÃen Willenskraft
vertreiben.
Dennoch fühlte Newbury sich so weit von ihr entrückt wie noch nie.
Ihre Beziehung schien irgendwie gebrochen und gestört. Ihr Verhalten ihm
gegenüber hatte sich natürlich nicht verändert. Doch er wusste
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