Osten, Westen
was Menschen zu Freunden macht? Irgendetwas an der Art, wie sie sich bewegen. An der Art, wie sie falsch singen.
In Eliots und meinem Fall aber weiß ich den Grund. Es war
die gute alte schwarze Magie. Weder Liebe noch Schokolade: die «heimliche Kunst». Wenn ich die Erinnerung an Eliot nicht loswerde, so vielleicht, weil ich weiß, dass die verführerischen Arkana, die Eliot Crane in den Wahnsinn getrieben haben, fast auch mich eingefangen hätten.
Pentagramme, Illuminaten, Maharishi, Gandalf; die Nekromantie gehörte zum Zeitgeist, zur inoffiziellen Sprache der Gegenkultur. Von Eliot lernte ich die Geheimnisse der Großen Pyramide, die Mysterien des Goldenen Schnitts und die letzten Finessen der Spirale. Er erzählte mir von Mesmers Theorie des animalischen Magnetismus («Eine geheimnisvolle Kraft existiert zwischen den Himmelskörpern, der Erde und allen Lebewesen. Das Medium dieser Kraft ist ein unvergleichlich subtiles Fluidum, das von allem ausgestrahlt wird. Es unterliegt mechanischen Gesetzen, mit denen wir noch nicht vertraut sind») und den «vier Trancen» des japanischen Spiritualismus: Muchu, das heißt Ekstase oder Verzückung; Shissi , Konsui-Jotai oder Koma; Saimin-Jotai, ein Hypnosezustand; und Mugen no Kyo, eine Phase, in der die Seele den Körper hinter sich lassen und in der Welt der Mysterien umherwandern kann. Durch Eliot lernte ich bemerkenswerte Menschen kennen, oder wenigstens ihre Gedanken: G. I. Gurdjieff, den Autor von «Beelzebubs Erzählungen»und Guru von Aldous Huxley, Katherine Mansfield, J. B. Priestley und anderen; sowie Raja Rammohun Roy mit seinem «Brahmo Samaj», diesem mutigen Versuch, eine Synthese von indischem und englischem Denken zu finden.
Unter der zwanglosen Anleitung meines Freundes studierte ich Numerologie und Handlesekunst und prägte mir eine indische Zauberformel zum Fliegen ein. Ich lernte Sprüche, mit denen man den Teufel, den Shaitan, beschwören kann, und wie man jenes Zeichen malt, mit dem man das Untier 666 bannt.
In meiner Heimat, aus der das Wort stammt, hatte ich nie viel Zeit für Gurus, aber genau das war Eliot, muss ich hier errötend gestehen. In der deutschen Übersetzung ein Mystiklehrer; man spricht das Wort g’ru aus.
Lieber Leser: Ich fiel durch. Ich habe niemals Muchu erlebt (geschweige denn Mugen no Kyo ) , habe niemals gewagt, die Höllenbeschwörungen auszusprechen oder mich wie ein Yaquí-brujo- Lehrling von einer Klippe zu stürzen, um zu fliegen.
Ich habe überlebt.
Eliot und mir gelang es, uns gegenseitig zu hypnotisieren. Einmal suggerierte er mir den posthypnotischen Befehl, sobald er das Wort «Bananen» ausspreche, müsse ich mich sofort nackt ausziehen. An jenem Abend, beim Tanz im «Dingwall’s Club» mit Mala und Lucy, flüsterte er mir das tückische Obstwort ins Ohr. Dröhnende, einschläfernde Wogen begannen über mich hinwegzurollen, und obwohl ich mir alle Mühe gab, mich dagegen zu wehren, begannen meine Hände, mich auszuziehen. Als ich den Reißverschluss meiner Jeans öffnen wollte, wurden wir alle vier rausgeschmissen. «Männer!», sagte Mala missbilligend, als ich mich am Kanalufer anzog, lauthals fluchte und Eliot blutige Rache schwor. «Vielleicht solltet ihr miteinander ins Bett gehen. Dann könnten wir alle nach Hause fahren und hätten endlich Ruhe.»
War es das? Nein. Möglicherweise. Nein. Ich weiß es nicht. Nein.
Welch ein Anblick: das Doppelporträt zweier Selbstbetrüger. Eliot, der Okkultist, der vorgab, Akademiker zu sein, zusammen mit mir, der ich mich, prosaischer ausgedrückt – vielleicht –, halbwegs in okkulter Liebe verloren hatte.
War es das?
Als ich Eliot kennenlernte, war ich gerade selbst außer Tritt geraten: Ich litt an einer Disharmonie meiner persönlichen Sphären. Da war die Laura-Episode, und darüber hinaus eine Anzahl schwieriger Fragen im Hinblick auf Heimat und Identität, von denen ich keine Ahnung hatte, wie ich sie beantworten sollte. Eliots Instinkt im Hinblick auf Mala und mich war eine Antwort, für die ich ihm sehr dankbar war. Die Heimat, stellte sich heraus, das waren, genau wie die Hölle, immer die anderen. Für mich war es, wie sich herausstellte, Mala. Nicht vom Mars, sondern von Mauritius. Sie war in der neunten Generation das Kind von Kontraktarbeitern, die nach dem Exodus der Schwarzen im Anschluss an das Ende der Sklaverei aus Indien herübergeholt worden waren. Zu Hause – die Heimat war ein kleines Dorf nördlich von Port Louis, und
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