Osten, Westen
in einem Kebab-Haus an der Charlotte Street bekannt, und obwohl ich sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, wusste ich sofort, dass wir uns am Strand von Juhu geküsst hatten, als ich vierzehn und sie zwölf Jahre alt war; und dass es mich reizte, diese Erfahrung zu wiederholen. Miss Lucy Evans, die honigblonde, frühreife Tochter des Chefs der berühmten Bombay Company. Sie unterließ es, die Küsse zu erwähnen; ich dachte, sie habe sie wohl vergessen, und schwieg ebenfalls. Doch dann erzählte sie von unseren Kamelrennen am Juhu-Strand und der frischen Kokosmilch, direkt vom Baum. Sie hatte nichts vergessen.
Lucy war stolze Eignerin eines kleinen Kabinenkreuzers, eines uralten Kahns, der früher einmal eine Barkasse der Navy gewesen war. Das Schiff lief an beiden Enden spitz zu, besaß in der Mitte eine provisorische Kabine sowie einen unwahrscheinlich alten Thorneycroft-Handybilly-Motor, der niemandem gehorchte außer ihr. Das Boot war vor Dünkirchen dabei gewesen. Zur Erinnerung an ihre Kinderzeit in Bombay hatte sie es «Bougainvillaea» getauft.
Ich war mehrmals mit Eliot und Lucy auf der «Bougainvillaea», das erste Mal zusammen mit Mala, später jedoch ohne sie. Denn Mala, inzwischen Doctor Mala, Doctor (Mrs.) Khan, die Mona Lisa des Medical Centre an der Harrow Road, fühlte sich abgestoßen von der Boheme-Atmosphäre, in der wir ohne Badezimmer auskamen, einfach über Bord pinkelten und uns bei Nacht wärmesuchend in unseren Steppschlafsäcken zusammenkuschelten. «Ich kann ohne Hygiene nicht leben», erklärte Mala. «Bleibt ihr nur bei euren Schlafsäcken! Ich kehre zu meiner Dunlopillo-Matratze und dem altgewohnten WC zurück.»
Einmal machten wir eine Bootsfahrt den Trent-and-Mersey-Kanal bis Middlewich hinauf, dann westlich nach Nantwich, auf dem Shropshire-Union-Kanal Richtung Süden und dann wieder westlich bis Llangollen. Als Skipper war Lucy unendlich begehrenswert; sie entwickelte eine ungeheure körperliche Kraft und eine Art von Seemannsautorität, die ich überaus erregend fand. Auf dieser Fahrt waren wir zwei Nächte allein, weil Eliot nach Cambridge zurückkehren musste, um dem Vortrag eines «Spitzenmannes aus Österreich» über das Thema Nationalsozialismus und Okkultismus beizuwohnen. Wir brachten ihn nach Crewe zum Bahnhof, dann nahmen wir in einem prätentiösen Restaurant einen sehr schlechten Lunch ein. Lucy wollte unbedingt eine Flasche Rosewein
bestellen. Die Kellnerin erstarrte vor Verachtung. «Das französische Wort für Rot, Madam», blaffte sie, «ist rouge.»
Was immer es war, wir tranken zu viel davon. Später, an Bord der «Bougainvillaea», machten wir mit Hilfe der Reißverschlüsse aus unseren Schlafsäcken einen großen und versetzten uns an den Strand von Juhu zurück. In einem bestimmten Moment küsste sie mich jedoch auf die Wange, murmelte: «Wahnsinn, Liebling», drehte sich um und kehrte der allzu fernen Vergangenheit den Rücken. Ich dachte an Mala, meine nicht allzu ferne Vergangenheit, und errötete im Dunkeln vor Schuldbewusstsein.
Am folgenden Tag sprach keiner von uns über das, was beinah passiert wäre. Die «Bougainvillaea» kam zur Unzeit zu einem Einbahntunnel; Lucy aber hatte keine Lust, drei Stunden auf die Vorfahrt zu warten. Also befahl sie mir, mit einer Fackel auf dem schmalen Treidelpfad im Tunnel voranzugehen, während sie mir mit dem Boot im Schneckentempo folgte. Ich hatte keine Ahnung, was sie tun wollte, wenn uns jemand entgegenkam, aber der Marsch über diesen glitschigen, zerklüfteten Treidelpfad erforderte meine ganze Aufmerksamkeit, und außerdem war ich ja nur die Crew.
Das Glück blieb uns treu; wir kamen wieder ans Tageslicht. Ich trug einen weißen Kricket-Sweater, der nunmehr leuchtend rot war, untilgbar gefärbt durch den schlammigen Dreck von Tunnelwänden. Auch in meinen Schuhen war Schlamm, in meinen Haaren und auf meinem Gesicht. Als ich mir die schweißnasse Stirn trocknen wollte, fiel mir ein Schlammklumpen ins Auge.
Lucy jubelte triumphierend über unseren gesetzeswidrigen Erfolg. «Hab ich dich doch noch zum Gesetzesbrecher gemacht! He, das ist verdammt phantastisch!», rief sie. (Als Kind in Bombay war ich für mein notorisches Bravsein
bekannt.) «Siehst du, Verbrechen zahlt sich eben doch aus!»
Wahnsinn. Liebe. Als ich von Eliots Geisterfahrereskapade hörte, fielen mir sofort der Rose und der Tunnel ein. Unsere Abenteuer an Bord der «Bougainvillaea» bei Nacht und bei Tag waren auf ihre
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