Osten, Westen
mein persönlicher Liebling Raja Rammohun Roy nur eine der vielen Stimmen eines allgemeinen Kakodämoniums.
Peng!
Und endlich: Stille. Requiescat in pace.
Als ich nach Wales zurückkehrte, hatte Lucys Bruder Bill die Polizei und den Bestattungsunternehmer angerufen und heldenhaft stundenlang im Gästezimmer Blut und Gehirn von den Wänden gewaschen. Lucy, die in einem leichten Sommerkleid in der Küche saß und Gin trank, wirkte erschreckend gefasst.
«Würdest du bitte seine Bücher und Papiere durchsehen?», fragte sie mich in liebenswürdigem und doch distanziertem Ton. «Ich kann das nicht. Vielleicht ist genug Material für das Glendower-Buch da. Irgendjemand könnte es herausgeben. »
Ich brauchte fast eine ganze Woche für die traurige Ausgrabung der unveröffentlichten Gedanken meines dahingegangenen Freundes. Ich spürte, dass eine Seite umgeblättert wurde: Ich selbst machte damals gerade meine ersten Schritte als Schriftsteller, während Eliot soeben aufgehört hatte, einer zu sein. Obwohl er eigentlich, wie ich herausfand, schon vor Jahren aufgehört hatte, einer zu sein. Ich entdeckte keine Spur – weder von einem Glendower-Manuskript noch von einer anderen ernsthaften Arbeit. Ich fand nur Phantastereien.
Bill Evans hatte drei Teekisten mit Eliots vollgetippten und vollgekritzelten Papieren gefüllt. In diesen Kisten des Deliriums fand ich Hunderte von Seiten theatralischer, sinnloser Obszönitäten sowie unverständliche Beschimpfungen des Universums im Allgemeinen. Es gab Dutzende von Notizbüchern, in denen Eliot sich ersatzweise eine persönliche Zukunft im Zeichen außerordentlichen Ruhms und großer Ehren ausmalte oder andererseits Selbstmitleid-Versionen
des Lebens eines verkannten Genies entwarf, das in qualvoller Krankheit oder Mord durch eifersüchtige Rivalen endete – woraufhin natürlich eine reuige Welt, die ihn schlicht ignoriert hatte, seine Größe doch noch anerkannte. Es waren traurige Ergüsse.
Noch schwerer fiel es mir, seine Phantasien über uns, seine Freunde, zu lesen. Zweierlei Grundmuster waren zu erkennen: hasserfüllte und pornographische. Es gab viele bösartige Attacken gegen mich und seitenweise heißen Sex im Zusammenhang mit meiner Frau Mala, «datiert» – ganz zweifellos, um die autoerotische Wirkung zu steigern – auf die Tage unmittelbar nach unserer Eheschließung; und natürlich auf spätere Zeiten auch. Die Abschnitte über Lucy waren widerlich und obendrein schlüpfrig. Nach einer liebevollen Bemerkung durchstöberte ich die Teekisten vergebens. Schwer zu glauben, dass ein so leidenschaftlicher und hingebungsvoller Mann nichts Gutes über das Leben auf Erden zu sagen hatte. Und dennoch war es tatsächlich so.
Ich zeigte Lucy nichts, aber sie las alles von meinem Gesicht ab. «Das war nicht wirklich er, der das geschrieben hat», versuchte sie mich reflexhaft zu trösten. «Er war krank.»
Und ich weiß, was ihn krank gemacht hat, dachte ich; und schwor mir insgeheim, gesund zu bleiben. Seit damals hat es keinerlei Austausch mehr zwischen der spirituellen Welt und der meinen gegeben. Mesmers «subtiles Fluidum» verflüchtigte sich für immer, während ich mich durch die übelriechenden Teekisten mit den Wahnsinnsausdünstungen meines Freundes wühlte.
Eliot wurde beerdigt, wie er es sich gewünscht hatte. Die Umstände seines Todes hatten zu einigen Schwierigkeiten hinsichtlich des geweihten Bodens geführt, doch Lucys
Ungestüm hatte die ortsansässige Geistlichkeit bewogen, ein Auge zuzudrücken.
Unter den Trauergästen befand sich ein konservativer Parlamentsabgeordneter, der mit Eliot zur Schule gegangen war. «Der arme Elly», verkündete der Mann mit dröhnender Stimme. «Wir haben uns damals immer gefragt: ‹Was wird wohl aus Elly Crane werden?› Und ich habe stets geantwortet: ‹Der wird entweder etwas halbwegs Anständiges aus seinem Leben machen, oder er wird sich umbringen.›»
Dieser Gentleman ist gegenwärtig Kabinettsmitglied und steht unter dem Schutz der Special Branch. Ich glaube kaum, dass er sich klar darüber ist, wie nahe er vor langer Zeit, an einem sonnigen Vormittag in Wales, daran war, solchen Schutz vor mir zu benötigen.
Aber sein Grabspruch ist der einzige, an den ich mich erinnere.
Als wir auseinandergingen, reichte mir Lucy die Hand. Wir haben uns nie wiedergesehen. Wie ich hörte, hat sie sich sehr schnell und sehr langweilig wiederverheiratet und lebt im amerikanischen Westen.
Nach Hause
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