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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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werfen. Er musste einen sicheren Ort dafür finden. Einen Ort, nicht weit weg von der Leiche.
    Sie sah die Frisia V in Norddeich-Mole auslaufen. Na klar, dachte sie. Die Fähre. Er hat irgendwo auf der Fähre ein Paket mit ihren Kleidern und ihrem Personalausweis versteckt.
    Es spielte jetzt eigentlich keine Rolle mehr, aber der Fall musste ordentlich abgeschlossen werden. Sie setzte sich auf die Wiese und rief Ubbo Heide an.
    Er brütete gerade über dem Laborbericht, von dem er die Hälfte nicht verstand. Die Goldkrone, die der Täter Carolin Haase an den Kopf getackert hatte, war metallurgisch untersucht worden. Wenn Ubbo Heide den Bericht richtig deutete, waren hier verschiedene Edelmetalle zusammengeschmolzen worden. Gold, Kupfer, Silber. Das Gold sei versaut worden. Irgendein Stümper habe einfach alles zusammen eingeschmolzen, mokierte sich der Fachmann.
    Ubbo Heide fragte sich, woher das Gold kam. Der Gutachter vermutete, das Ganze sehe aus, als habe jemand wahllos Schmuck eingeschmolzen und daraus etwas Neues gemacht. Sogar Dosenblech war dabei.
    Meuling musste also irgendwo einen Ofen gehabt haben, mit
dem er in der Lage war, Temperaturen von über 1000 Grad zu erzeugen, denn vorher schmolz Gold nicht.
    Ubbo Heide war froh, die SOKO wieder los zu sein. Er hoffte auf ein paar ruhige Wochen. Er brauchte sie sehr dringend. Er hatte sich bei Dr.Ekkehart Wolter zu einem Gesundheitscheck angemeldet und fürchtete, das Ergebnis könne ihm mehr Aufschluss über den Raubbau, den er mit seinem Körper getrieben hatte, geben, als ihm lieb war.
    »Hallo, Ann Kathrin. Wie geht’s dir?«
    Sie beantwortete seine Frage nicht, sondern kam gleich zur Sache: »Wir haben etwas übersehen. Das Päckchen mit den Kleidern muss irgendwo sein. Ich wette, er hat es auf der Fähre versteckt.«
    »Wie geht es Weller?«, fragte Ubbo Heide. »Ich finde, er sollte mit unserer Polizeipsychologin reden … Er ist einer unserer besten Männer. Ich will ihn nicht verlieren.«
    »Ja«, sagte Ann Kathrin, »ich weiß.« Und sie registrierte, dass sich eigentlich niemand mehr wirklich für den Friseur und seine Taten interessierte. Mit der tödlichen Kugel von Frank Weller war die Sache für alle erledigt. Es war eine Erleichterung da. Man konnte wieder zum Tagesgeschäft übergehen.
    »Der Staatsanwalt wird uns Fragen stellen, Ubbo. Damit kommen wir vor Gericht nicht durch. Wir … «
    »Lass es gut sein, Ann Kathrin. Der Spuk ist vorbei. Es wird keine Gerichtsverhandlung geben. Der Mörder ist tot.«
    »Ja, muss er nicht wenigstens formal verurteilt werden? Ich meine, damit … «
    »Wem nutzt das noch?«
    »Ja aber … « Ihr gingen die Argumente aus. War es hier ähnlich wie mit dem Mord an ihrem Vater? Versickerten manche Fälle einfach im Raster der Zeit? Lösten sie sich auf im Alltag, fristeten im Aktenschrank ihr Leben und wurden irgendwann vergessen, aussortiert, niedergeschlagen?
    Sie hatte von ihrem Vater gelernt, dass man die losen Fäden nicht herunterhängen lassen durfte. Sie mussten verknüpft werden, um einen Fall zu lösen. Perle für Perle, aufgereiht an einer langen Schnur, so sah sie die Indizienkette am liebsten vor sich. Am Ende musste alles logisch sein, um es zu einem befriedigenden Ende zu führen.
    Sie wollte es sagen, doch Ubbo Heide kam ihr zuvor: »Manche Dinge, Ann Kathrin, muss man einfach akzeptieren. Es ist nicht alles optimal gelaufen, und nun ist es vorbei. Wir müssen alle damit fertig werden. Jeder mit seiner Schuld, seinem Versagen. Wir sind keine Helden und keine Götter, sondern unzulängliche Menschen, und wir haben auch schon mal das Recht, die Nerven zu verlieren. Am besten nimmst du mit Weller deinen Jahresurlaub. Wir lassen ein bisschen Gras über die Geschichte wachsen und dann … «
    Plötzlich blies vom Meer her ein heftiger Wind eine Schneise in die Dunstglocke über Juist. Ubbo Heide behauptete, Ann Kathrin nicht mehr richtig zu verstehen, weil der Wind so sehr über ihr Handy pfiff. Austernfischer und Kiebitze beschwerten sich mit klagenden Lauten.
    Ann Kathrin steckte ihr Handy ein. Wahrscheinlich, dachte sie, ist er froh mich loszuhaben. Ich bin so kompliziert im Moment. Ich bin mir selbst zu viel. Ich kann Frank nicht helfen, habe keinen Kontakt mehr zu meinem Sohn – wann habe ich eigentlich zum letzten Mal etwas von ihm gehört? Dann kam es ihr so vor, als habe sie von sich selbst schon mindestens genauso lange nichts mehr gehört, und sie beschloss, ein neues Leben anzufangen. Noch

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