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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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heute.
    Ein erwachsener Kiebitz stellte sich ihr in den Weg. Das Tier wich nicht aus. Seine Federholle richtete sich geradezu kämpferisch auf. Es war ein Männchen, tiefschwarz gefärbt mit einem weißen Vorderhals. Ann Kathrin blieb stehen und sprach den Vogel an: »Ja, hack du auch noch auf mir herum!«
    Er antwortete: »Krahää!« und »Kija! Kija!« Dann flog er mit gemächlichen Flügelschlägen davon.
    Ann Kathrin lief zurück zur Seehundstation, stieg auf ihr Rad und sauste vorbei an den stehenden Autokolonnen an der Norddeicher Straße zurück in den Distelkamp. Dort baute sie sich vor Frank auf und sagte mit trotzigem Zorn: »Ich will mein Leben zurück, Frank!«
    Die energiegeladene Art, mit der sie plötzlich vor ihm stand, und die Entschlossenheit, mit der sie diesen Satz sagte, ließen ihn innerlich zusammenzucken.
    »Ist das jetzt der Auftakt zu einem Beziehungsgespräch, an dessen Ende du mich an die Luft setzt?«, fragte er, und so zerknirscht, wie er sie ansah, zog er diese Möglichkeit durchaus in Betracht.
    »Nein«, sagte sie, »ganz und gar nicht. Ich meine das genau so, wie ich es gesagt habe. Ich will mein Leben zurück. Meuling hat es uns geklaut. Mit seinen Morden. Er hat uns beide an die Grenzen gebracht. Es gibt noch mehr im Leben als nur solche verrückte Spinner. Es ist gut, dass du der Sache ein Ende bereitet hast. Ich hätte es schon tun sollen, im Park in Lütetsburg. Dann würde Carolin Haase noch leben. Lass uns nicht mehr darüber reden. Lass uns ausgehen.«
    »Ausgehen?« »Schau mich nicht so an, als hätte ich dir vorgeschlagen, eine Gruppensexorgie zu starten. Ich will ein bisschen Spaß haben, mit dir über andere Dinge reden und … «
    »Jeder wird uns drauf ansprechen, Ann. Wo sollen wir denn hingehen? Für die einen bin ich ein Held, für die anderen nur ein Scheißbulle mit nervösem Finger am Abzug.«
    »Lass uns nach Bremen fahren, Frank. Wir gehen zum Flughafen und nehmen den nächsten Last-Minute-Flug. Egal wohin. Hauptsache, es ist warm.«
    »Hier ist es warm.«
    Sie beschwor ihn fast: »Wir brauchen einen Tapetenwechsel.«
    »Ich kann das jetzt nicht, Ann. Ich schaff das nicht.«
    »Was schaffst du nicht?«
    »Ein Flughafen. Aufgekratzte Menschen. Urlaubsstimmung. Kühle Drinks. Das ist im Moment nicht meine Welt. Ich … «
    »Dann lass uns nach Emden in die Kunsthalle fahren.«
    Er sah sie völlig verständnislos an: »Du willst jetzt in die Kunsthalle?«
    »Ja. Ich muss etwas anderes sehen.«
    »Was?«
    »Egal. Hauptsache keine Mörder. Meinetwegen können wir auch in die Backstube. Oder – warst du je im Teemuseum in Norden?«
    »Bist du jetzt auf dem Museumstrip?«
    Sie drehte sich abrupt um. Sie fühlte sich missverstanden, aber sie war nicht bereit, sich alles von ihm miesmachen zu lassen.
    Lautlos war er hinter sie getreten und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Du hast ja recht, Ann. Wir dürfen uns von diesem Schwein nicht alle zu Opfern machen lassen.«
    Er zog seine hellblaue Leinenjacke über das verschwitzte weiße T-Shirt und sagte aufmunternd: »Okay. Wenn du mich mitnimmst … dann gehen wir jetzt. Wohin du willst.«
     
    Rupert trank lauwarme Cola, aß Salzstangen, warf alle zwei Stunden eine Kohletablette ein, um seiner Darmprobleme Herr zu werden, und heftete sich an die Fersen von Gunnar Peschke. Im ZDF gab man ihm bereitwillig Auskunft. Er sei nicht im Haus, sondern zu einem Dreh. Angeblich war er bei der MES - Filmproduktion in Wiesbaden, um mit einer Kinderliedermacherin Piratensongs für die Musikboxx aufzunehmen.
    Rupert ließ sich Peschkes Handynummer geben und ortete
ihn. Er musste sich in Norddeich in der Nähe vom Hafen aufhalten.
    Von wegen, du bist in Wiesbaden. Du treibst dich schon wieder hier rum, auf der Suche nach deinem neuen Opfer, was? Wahrscheinlich lachst du dich schief darüber, dass mein verstörter Kollege Weller diesen Meuling ausgeknipst hat … Jetzt glaubst du, du hättest freie Bahn, was? Muss ein geiles Gefühl sein, freigesprochen zu werden, ohne jemals angeklagt worden zu sein. Für einen ZDF -Redakteur aus Mainz treibst du dich erstaunlich oft in Ostfriesland rum. Hast du dir hier noch ein kleines Musikzimmer eingerichtet? Eins, in dem man die Schreie deiner Opfer nicht hört? Schöne, schalldichte Wände? Ich krieg dich, Peschke. Ich krieg dich!
    Rupert konnte an gar nichts anderes mehr denken. Er handelte nicht aus dem Bauch heraus wie Ann Kathrin. Er ließ sich nicht von seinen Gefühlen leiten, so wie

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