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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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wehren Sie nicht ab. Ich finde das gut. Wir brauchen durchaus kritische junge Leute. Sie sind nicht einer von diesen üblichen Schmierfinken und Abschreibern. Sie wollen den Dingen auf den Grund gehen, deshalb habe ich Sie ausgesucht. Sie dürfen mich interviewen. Und Sie haben recht: Als Künstler handle ich wie Gott, als er die Welt erschuf oder die Sintflut schickte. Ich fege hinweg, was unbrauchbar ist und sündig, und schaffe neu, was mir gefällt.«
    »Wird Ihr Werk jetzt unvollendet bleiben?«
    »O nein, Mike. O nein. Da kann ich Sie beruhigen. Die Engelsverbrennung wird stattfinden. Nur leider nicht mit der Tochter von Professor Diebold. Damit wird er dann wohl endgültig aus der Kunstgeschichte getilgt sein. Niemand wird sich mehr an ihn erinnern. Seine einzige Rettung wäre gewesen, dass seine Tochter Eingang in mein Werk gefunden hätte. Aber das hat sie nun selber verpatzt.«
     
    Der Besuch im Henri-Nannen-Museum hatte ihnen gutgetan. Sie diskutierten tatsächlich über Bilder statt über Mörder, über die Absicht von Künstlern statt über die Motive von Verbrechern.
    Jetzt waren sie wieder im Distelkamp zurück. Weller hatte eine Flasche Bordeaux geöffnet, und Ann Kathrin sagte ihm, dass es noch etwas gab, das einen auf die gute Seite des Lebens zurückbringen konnte. Sex. Einfacher, unkomplizierter Sex.
    Die Art, wie sie das sagte, hatte etwas Entwaffnendes für Weller. Fast wäre ihm die Rotweinflasche hingefallen. Sie begann ihn auszuziehen und flüsterte: »Erinnere dich daran, dass du einen Körper hast, nicht nur einen Verstand und ein Gewissen.«
    Sie liebten sich heftig, als das Telefon klingelte. Ubbo Heide versuchte, sie auf allen möglichen Wegen zu erreichen. Erst übers Festnetztelefon, dann über Wellers Handy und schließlich über Ann Kathrins Handy. Er sprach auf den Anrufbeantworter und auf jede Mailbox. »Ich brauche euch hier, und zwar sofort! Wir haben eine Leiche gefunden in einer blauen Papiermülltonne vom Landkreis Aurich. In Hage vor der Praxis von einem Frauenarzt. Dr.Joannis Hatzigeorgiou. Direkt gegenüber von dem griechischen Lokal Alexis Sorbas. Der Mülleimer gehört weder zum Lokal noch zur Arztpraxis. Er ist vermutlich irgendwo gestohlen und einfach dort abgestellt worden. Bitte kommt sofort. Ich fürchte, hier ist in weniger als einer halben Stunde die Hölle los.«
    Während Ann Kathrin sich wohlig wie ein Embryo zusammenrollte und unter die Bettdecke kuschelte, kämpfte Weller gegen den Wunsch an, jetzt eine zu rauchen. Auf die Zigarette danach zu verzichten, war für ihn das größte Problem.
    Die Weinflasche war zwar schon geöffnet, aber der Wein und die Gläser standen in der Küche. Ann Kathrin hatte keine Lust aufzustehen. Sie baute sich danach gerne eine Höhle im Bett und verkroch sich einfach darin.
    Weller stand auf, um den Wein aus der Küche zu holen. Sein Handy blinkte. Er wusste, dass er sich die ganze Zeit fragen würde, wer ihn angerufen hatte, wenn er die Mailbox nicht abhörte. Er konnte so etwas nicht einfach ignorieren.
Er bezeichnete sich selbst als Telefonjunkie. Er ging immer ran. Aber als er dann Ubbo Heides Nachricht hörte, fragte er sich, wie er es Ann Kathrin am schonendsten beibringen sollte. Vielleicht war sie sauer oder beleidigt, weil er direkt nach dem Geschlechtsverkehr zum Telefon geeilt war, um die Mailbox abzuhören. Renate war in so einer Situation mal völlig ausgerastet. Sie hatte ihn sogar mit Gegenständen beworfen. Erst mit einem angebissenen Apfel – sie aß danach gern Obst –, später dann mit Weintrauben und zum Schluss kam noch der Obstteller angeflogen. Er hoffte, dass Ann Kathrin besser reagieren würde.
    Er brachte die Weingläser erst gar nicht mit ins Schlafzimmer, er spielte ihr einfach nur die Nachricht auf dem Handy vor. Sie sagte nichts zu Weller, sie nahm ihm das Handy ab und rief Ubbo Heide an. Sie begrüßte ihn nicht, sie erkundigte sich nicht nach seinem Befinden, sie sagte einfach nur: »Ich denke, wir sollen unseren Jahresurlaub nehmen.«
    »Nicht jetzt«, konterte Ubbo Heide. »Nicht jetzt. Die Situation hat sich geändert.«
    »Okay. Dann sprich mit Weller. Frag ihn, ob der kommt. Ich bin nicht im Dienst. Ich habe keine Dienstwaffe mehr und … ich betrachte mich als suspendiert. Waren das nicht deine Worte?«
    »Nein, das waren sie nicht. Ich wollte dich aus der Schusslinie nehmen, hab ich gesagt. Das ist etwas ganz anderes.« Er stöhnte und griff sich an den Magen. »Bitte lasst mich jetzt

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