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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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dann kannst du ihn an die Leine nehmen. Dann kannst du mit ihm spielen, denn er hängt als Marionette an Fäden, die du bedienen kannst. Du musst nur wissen, welches die richtigen sind.«
    »Glaubst du das wirklich, Papa? Oder sagst du das nur, um mich zu beruhigen, so wie du mir vor jeder Klassenarbeit eingeredet hast, ich sei doch sowieso ein kluges, begabtes Mädchen und müsse keine Angst haben. Es käme nur darauf an, dass die Lehrer meine Intelligenz sehen könnten. Aber leider waren sie oft blind, Papa.«
    Sie zerrte an ihren Fesseln und sie begriff eins: Wenn sie etwas von ihrem Vater gelernt hatte, dann, niemals aufzugeben.
    Es ist keine Schande hinzufallen, man kann ja wieder aufstehen und es noch einmal versuchen.
Immer wieder hatte sie diesen Spruch von ihm gehört. Sie spürte dann, wie oft das Schicksal ihm in die Zähne gehauen hatte. Wie viel Ärger hatte er mit einem eiskalten Doornkaat weggespült?
    »Aber ich kann nicht einfach aufstehen, nach Hause gehen, einen Schnaps trinken und sagen: scheiß drauf. Wenn das hier nicht ganz schnell beendet wird, habe ich meinen letzten Schnaps bereits getrunken, und zwar in der Backstube, mit meinem Mörder.«
    Dann sah sie Weller vor sich. Ja, das war er, ganz eindeutig, und nicht mehr ihr Vater.
    »Wenn man so richtig schlechte Karten hat, Ann«, sagte er, »dann gibt’s nur eins: bluffen. Gut geblufft ist halb gewonnen.«
    Warum hat er das Licht angemacht und kommt jetzt nicht rein, fragte sich Ann Kathrin. Gibt es eine Zeitschaltuhr für die Beleuchtung oder beobachtet er mich jetzt und weidet sich an meiner Angst? Oder will er nur, dass ich denke, er würde mich beobachten?
    Sie sah sich im Raum um. Ja, er war gut vorbereitet. Die Spritze, eine Kanüle, der Blutbeutel. Verschiedene Sorten Rasierschaum, eine ganze Kollektion Nassrasierer. Links neben ihrer Bahre stand ein Stuhl, daneben eine Ablage mit verschiedenen Hautcremes, Tüchern, Wattebäuschchen, Haarfärbemitteln.
Rechts neben ihr war die Tür, neben der Tür eine Scheibe. Entweder konnte man von innen nicht nach draußen gucken, sondern nur von außen in den schalldichten Raum, oder der hintere Raum war dunkel. Jedenfalls sah sie nichts hinter der Scheibe. Doch dort vermutete sie ihn.
    Dann öffnete sich die Tür, langsam, mit einem Knarren. Es tat ihr gut, überhaupt irgendein Geräusch zu hören. Ihr Herz raste.
    Noch einmal war Wellers Stimme da: »Bluffen, Ann. Bluffen.«
    Heiner Zimmermann hatte die langen Haare zu einem Zopf nach hinten gebunden und trug ein Stirnband mit weißblauen Streifen. Er roch frisch geduscht, hatte aber danach bereits eine seiner starken, schwarzen, selbst gedrehten Zigaretten geraucht.
    Ann Kathrin nahm alles erschreckend intensiv wahr. Sie wusste, dass sie jetzt sehr hoch spielte, aber sie vertraute ganz ihrer Intuition. Sie lachte ihn an, als sei alles ein Riesenwitz.
    In der Tat irritierte ihn das für einen Moment. Er stand händeringend vor ihr und knackte mit den Fingern.
    »Komm, Heiner, lass es jetzt gut sein. Du hast deine Show gehabt. Der Spaß ist echt gelungen. Für einen Moment hast du mich richtig verunsichert. Aber es glaubt dir doch ohnehin keiner, dass du der Friseur bist … «
    Seine Gesichtszüge entgleisten. Er hatte mit vielem gerechnet. Mit Jammern und Bitten. Aber nicht damit.
    »Du hast mir echt Angst eingejagt. Aber jetzt mach mich wieder los. Ich will nach Hause. Ich werde keinem was davon erzählen. Es ist ja zu peinlich. Ja, ja, ich habe meine Lektion gelernt. So leicht kann man die Kommissarin in eine Falle locken. Das wird mir bestimmt nie wieder passieren. Von dir habe ich mehr gelernt als von irgendwem sonst im Leben. Das kann mir noch sehr nutzen und mich vor schlimmen Dingen bewahren.«
    »Glaubst du, das Ganze hier ist gefaked?«, fragte er und ballte beide Hände zu Fäusten. Sein Kiefer begann zu mahlen.
    »Na komm«, sagte sie, »jetzt ist der Spaß wirklich vorbei. Langsam tun mir die Handgelenke weh.«
    »Ich bin der Mann, den ihr Friseur nennt!«, schrie er. Spuckebläschen lösten sich aus seinem Mund und trafen Ann Kathrins Bauch wie ein kleiner Regenschauer am Meer.
    Noch einmal bemühte sie sich zu lachen. »Frank hat den Friseur in Groningen zur Strecke gebracht.«
    »Und wie kam dann Christina Diebold in die Mülltonne?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich war irgendjemand sauer auf den Professor oder sie hat es mit einem der Typen getrieben, vor denen ihre Eltern sie immer gewarnt haben. Die Welt ist voller

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