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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Eine wundervolle, sternklare Nacht. Er schlug einen Strandspaziergang vor. Ihre Ferienwohnung lag nicht weit von der Allergie- und Hautklinik, hinter den Dünen, nur einen kurzen Fußweg vom Meer entfernt. Sie zogen die Schuhe aus und gingen nebeneinander her. Die auslaufenden Wellen kamen ihnen nah, aber sie achteten darauf, keine nassen Füße zu bekommen. Es war wie ein Spiel. Wenn eine Welle weit an den Strand auslief, rannten sie ihr fröhlich davon.
    Es wird eine gute Zeit mit ihm werden, dachte sie. Und er kocht garantiert jeden Tag für uns. Das heißt, meine 840  Euro sind reines Geld. Das gefiel ihr, denn die Spesen verschlangen oft einen Teil ihres Honorars. Sie würden nicht essen gehen und wenn, dann wäre es ihm bestimmt eine Ehre, sie einzuladen. Er war ein Gentleman wie Peter Kron. Er sah ihm sogar ein bisschen ähnlich. Er hätte sein Bruder sein können.
    Er schlief im Nebenraum und weckte sie wie abgesprochen zwei Stunden vor Sonnenaufgang. Er röstete zwei Scheiben Toast und träufelte dann Honig darauf, der so intensiv roch, wie sie noch nie Honig gerochen hatte. Eine Scheibe hielt er ihr hin. Sie griff zu und biss hinein. Dann reichte er ihr einen Becher Kaffee.
    »Trinken Sie«, sagte er. »Es ist noch verdammt kalt um die Zeit draußen. Aber dafür ist das Licht unübertroffen, wenn die Sonne aufgeht.«
    Es war noch dunkel. Nebel kroch über den Strand. Sie trug nur einen flauschigen Bademantel, als sie mit ihm in die Dünen schlich. Er bat sie, sich auf den Sand zu legen. »Nein, nicht räkeln wie ein Pin-up-Girl. Tun Sie so, als würden Sie sich aus dem Sand nach oben bewegen.«
    Sie fror und der kalte Sand war unangenehm rau auf der Haut.
Die Sanddornsträucher kamen ihr vor wie rostiger Stacheldraht. Jetzt begriff sie, dass dies hier kein Frühlingsausflug werden würde, sondern harte Arbeit. Schon musste sie niesen und dachte, ich werde mich hier erkälten, das halte ich nicht lange durch. Aber er war unzufrieden. Seine Stimme nahm einen herrischen, nörgeligen Ton an. Er machte ein paar Bilder mit einer billigen Digitalkamera. Mit einer Hand drehte er ihren Fußknöchel in eine Lage, die ihm besser gefiel. Er tat ihr weh dabei. Er war jetzt gar nicht mehr aufmerksam und wohlwollend wie am Anfang.
    Am liebsten wäre sie aufgesprungen und weggelaufen. Aber sie brauchte das Geld und blieb. Außerdem, so dachte sie sich, war sie so weit gegangen, da konnte sie auch weitermachen. Wo hätte sie auch hinlaufen sollen, ihre Kleider lagen ja noch in der Ferienwohnung.
    Noch bevor die Sonne den Platz zwischen den Dünen beleuchtete, brach er das Fotoshooting ab und ging mit ihr ins Haus zurück. Es war ihr recht. Durchgefroren, wie sie war, duschte sie erst einmal heiß. Als sie aus dem Bad kam, war er schweigsam. In sich gekehrt.
    »Entspreche ich doch nicht Ihren Vorstellungen?«, fragte sie vorsichtig. »Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie lieber ein anderes Modell … «
    »Nein, nein!«, wehrte er ab. »Vielleicht sollte ich Ihnen erst mal meine Skizzenblöcke zeigen, dann können Sie sich besser hineinversetzen.«
    Er öffnete einen Lederkoffer. Er war voller Skizzenblöcke.
    Sie staunte. Er hatte tatsächlich mit Bleistift die ganze Szene zigmal aus allen Perspektiven aufgemalt. Das sollte sie sein, die wie ein Wesen aus der Tiefe der Erde durch den Sand nach oben schwebte oder aber darin versank wie ein untergehendes Schiff im Meer. Ihre Haare waren auf den Skizzen eins mit den Sanddornsträuchern.
    Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Er hatte genau sie
ausgewählt und er hatte sie immer und immer wieder gezeichnet. Das war ganz eindeutig sie.
    Woher kannte er sie so gut? Seit wann war das hier schon geplant?
    Sie bemühte sich, ihr Erstaunen nicht zu zeigen. Er war ein akribischer Spinner, das war ihr jetzt klar.
    Er schlug vor, erst einmal richtig zu frühstücken. Später dann wollte er die Posen mit ihr im Wohnzimmer auf dem Teppich üben. Sie stimmte zu. Auf keinen Fall wollte er mit ihr raus, wenn draußen die ersten Touristen begannen, die Insel zu erforschen.
    Als er in der Küche Speck in der Pfanne knusprig werden ließ, blätterte sie auch in den anderen Skizzenblocks. Sie fand Zeichnungen von einer engelhaften Frau. Sie war aufgespießt. Da begriff Verena Glück, dass er vorhatte, sie umzubringen.
    Sorgsam legte sie den Skizzenblock in den Lederkoffer zurück. Sie würde die erste Gelegenheit zur Flucht nutzen und die Polizei rufen.
    Er schnitt auf einem

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