Ostfriesengrab
Transportunternehmen, ein Umzugswagen – was weiß ich. Er muss mit dem Fahrzeug nach Norderney übergesetzt sein.«
»Darauf sind wir auch schon gekommen, Ann.« Weller fröstelte, als er hörte, wie sie
ich an seiner Stelle
sagte. Sie versetzte sich in den Täter hinein, sah die Welt mit seinen Augen – oder versuchte es zumindest.
»Aber ich vermute eher, dass er sie ganz in der Nähe umgebracht hat. Eine Ferienwohnung im Umkreis von wenigen hundert Metern. Frank, ihr dürft das nicht außer Acht lassen. Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten: Entweder er hat sie auf der Insel getötet oder er fährt mit seinen Opfern in einem Transporter herum.«
Weller stöhnte. »Ja, Ann. Danke für die Hilfe, aber ich muss jetzt wirklich … «
Zu gerne hätte er sich mit einem »Ich liebe dich« verabschiedet, aber auch wenn er sich dafür schämte, er schaffte es nicht angesichts seiner Kollegen.
Doch dann konnte er sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Er hatte sie so unglücklich in der Luft hängen lassen. Er wollte ein Gespräch mit ihr nicht so beenden. Er ging zur Toilette und rief sie von dort aus mit seinem Handy noch einmal an. Sie nahm das Gespräch nicht an. Er flüsterte ihr auf die Mailbox: »Ann, ich liebe dich. Du bist eine wundervolle Frau.«
Die letzten Silben wurden von der Toilettenspülung nebenan übertönt. Rupert rülpste und stöhnte: »Was bin ich nur für ein Kerl, dass so viel Scheiße in mir drin ist.« Dann spülte er erneut.
Das alles war jetzt auf Ann Kathrins Mailbox. Weller schämte sich. Am liebsten hätte er seinen Anruf auf ihrer Mailbox gelöscht, aber er wusste nicht, wie er das anstellen sollte.
Eine Spritze mit 10 Milligramm Valium und ein Tropf mit NaCl-Lösung hatten Jonas Glück stabilisiert. Kreidebleich saß er auf seinem Bett in der Ammerland-Klinik in Westerstede. Aus seinem Körper schien jede Energie gewichen zu sein. Er starrte ins Leere. Seine Unterlippe hing herab, die schlaffe Gesichtsmuskulatur verlieh seinem Ausdruck etwas Dümmliches. Weller war sich aber sofort im Klaren darüber, einen hochintelligenten Mann vor sich zu haben.
Jonas Glück verstand die Welt nicht mehr. Er hatte geglaubt, seine Frau sei bei ihrer Mutter in Cuxhaven. Die kleine Tochter Kim wusste noch gar nichts vom Tod ihrer Mutter. Sie spielte mit den Kindern aus der Nachbarschaft und wurde von einem befreundeten Ehepaar betreut.
Weller stellte sich vor und fragte, ob Jonas Glück in der Lage sei, ein paar Fragen zu beantworten. Er nickte, also legte Weller los: »Ist Ihre Frau bedroht worden? Sagt Ihnen der Name Dieter Meuling etwas? Hatte sie Freunde auf Norderney?«
Jonas Glück antwortete nicht. Er versuchte sich aufzurichten und starrte Weller aus weit aufgerissenen Augen an, als sei Weller kein realer Mensch, sondern eine Erscheinung.
»Werde ich gleich einfach aufwachen und alles war nur ein Albtraum?«
»Leider nicht«, bedauerte Weller. »Ihre Frau ist nicht das erste Opfer, und wir befürchten, dass der Täter weitermacht. Ihre Mitarbeit ist für uns enorm wichtig. Bitte denken Sie nach. Kannte Ihre Frau einen Herrn Meuling? Hat sie Drohbriefe erhalten? Wurde sie erpresst?«
Glück schüttelte den Kopf. Weller spürte genau, dass da noch etwas war, was diesen Mann so fertigmachte. Es war nicht nur der Tod seiner Frau, sondern irgendein Begleitumstand.
Rupert stand neben Weller. Er lehnte sich an die Wand und drückte beide Hände in Höhe seines Bauchnabels auf die rebellierenden Därme.
»Es tut mir leid«, stöhnte Rupert, »aber ich muss schon wieder.« Dann verließ er fluchtartig das Zimmer.
»Meine Sch … meine Sch … meine Schwiegermutter … « Jonas Glück ließ den Kopf nach hinten ins Kissen fallen, biss auf die Zähne und presste ein paar Tränen zwischen den zusammengekniffenen Augenlidern hervor. Er sah schrecklich wütend aus.
»Was ist mit Ihrer Schwiegermutter?«
»Sie hat mich angelogen. Sie hat es mir am Telefon gestanden, die alte Hexe.«
»Was hat sie gestanden?«
»Meine Frau war gar nicht bei ihr. Sie haben mich angelogen. Alle beide.«
»Sie dachten also, Ihre Frau sei bei Ihrer Schwiegermutter, und das stimmte gar nicht. Warum haben die beiden gelogen? Hatte Ihre Frau einen Liebhaber?«
Jonas Glück warf den Kopf hin und her. Zwischen seinen Lippen sprühten Speichelbläschen hervor. »Nein, bestimmt nicht … Ich glaube nicht … Ich hoffe nicht … Also, ich denke nicht … «
Weller hatte ein ungutes Gefühl dabei, den Mann
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