OstfriesenKiller
manchmal zuvorkam und sagte: »Ich weiß, drei Tassen sind Ostfriesenrecht. Aber mir schlägt der starke Tee zu sehr auf den Magen.«
Er schüttelte dann den Kopf. Es war für ihn wie eine Beleidigung.
Ann Kathrin Klaasen stand vor der Kanne. Sollte sie ihm jetzt seinen Tee kochen oder setzte sie sich damit nur seiner Kritik aus, denn irgendetwas würde sie in seinen Augen garantiert falsch machen.
Sie hatte plötzlich das Gefühl, dieser Ostfriesentee würde ihm Macht verleihen. Er konnte dann entscheiden, ob er sie loben oder niedermachen würde. Nein, sollte er sich doch seinen blöden Tee selber kochen!
Eike trank Kaffee, genau wie sie. Mit viel Milch und braunem, karamelisiertem Zucker. Ann Kathrin warf sich die strähnigen Haare aus dem Gesicht. Oben knarrten Treppenstufen. Sie hörte Geflüster.
Sie öffnete die Küchentür. Vor ihr standen Eike und Hero, voll angezogen, jeder mit einer großen Tasche in der Hand, Hero noch mit einem Rucksack auf dem Rücken, ganz so, als wolle er in Urlaub fahren.
Natürlich wusste sie genau, dass es hier nicht um Urlaub ging. Die Gesichter der beiden waren eindeutig. Sie wehrte sich dagegen. Sie wollte es nicht wahrhaben und überspielte es mit einem Lächeln, das verunglückte. Sie zeigte auf den Frühstückstisch, versuchte, nicht wütend zu werden, sondern freundlich zu bleiben, und sagte: »Guten Morgen, ihr beiden. Ich hab Rühreier mit Krabben gemacht.«
Die beiden folgten ihrer einladenden Geste nicht, sondern blieben stehen und schauten sich an. Eike schluckte. Ihm war die Situation peinlicher als den Erwachsenen. Er fühlte sich seiner Mutter gegenüber schuldig.
Allmählich begann Ann Kathrin zu kapieren, obwohl ihr Verstand sich noch weigerte, die Botschaft wirklich anzunehmen. Sie schüttelte den Kopf, noch bevor Eike etwas sagen konnte. Das machte es ihm leichter, die Worte herauszubringen, denn offensichtlich wusste sie es schon.
»Mama, bitte sei nicht böse, aber ich geh mit Papa.«
Ann Kathrin drehte sich ab, so dass Eike den Schmerz nicht sehen konnte. Sie biss sich in den Handrücken. Sie holte tief Luft, drehte sich wieder zu ihrem Sohn um und versuchte, ihre Gefühle so gut wie möglich zu verbergen. Doch die Tränen standen ihr in den Augen.
»Klar, mein Großer«, sagte sie, als sei das alles gar kein Problem. »Wenn dir das lieber ist. Ich kann das schon verstehen.« Sie lachte. »Ihr beiden Männer zusammen, das ist bestimmt nicht schlecht. Und Papa hat ja auch viel mehr Zeit, sich um dich zu kümmern. Ich …«
Hero war froh, dass sie keine große Szene daraus machte. Aber er wollte ihr jetzt keine Gelegenheit zu langen Reden geben. »Wir ziehen vorerst zu Susanne«, stellte er klar.
Der Name traf Ann Kathrin wie ein Schlag ins Gesicht. Am liebsten hätte sie Hero eine runtergehauen oder ihn getreten. Stattdessen beugte sie sich zu Eike und streichelte über seine Haare. »Ich bin dir nicht böse, Eike, ganz bestimmt nicht. Ich respektiere deine Entscheidung natürlich, auch wenn sie mich traurig macht.«
Eike versuchte, ihrem Blick zu entkommen, aber er schaffte es nicht. Als er seine Mama, die sich bemühte, tapfer zu lächeln, ansah, schossen ihm sofort die Tränen in die Augen.
»Du hast immer schon einen eigenen Kopf gehabt, und das ist gut so, mein Kleiner. Schließlich hast du den von mir, was?«, sagte sie und tätschelte aufmunternd seine Wangen. Länger hielt sie es nicht aus. Sie wollte vor ihrem Sohn jetzt keinen großen Gefühlsausbruch erleben.
Sie kniff Eike in die Wangen und schob ihn zur Tür. »Heute bringt dich keiner zur Schule. Mein Großer fährt heute mal mit dem Bus. Ist das o. k.?«
Hero schüttelte protestierend den Kopf, doch Eike nickte. »Jaja, Mama. Klar. Ihr wollt bestimmt noch reden.«
»Ich hol dich um halb zwei ab!«, rief Hero hinter seinem Sohn her. Schon stand Eike draußen.
Ann Kathrin schloss die Tür hinter ihm und wendete sich dann Hero zu. Ihr Gesicht hatte jetzt einen vollkommen anderen Ausdruck. Statt Trauer bekam der Zorn Oberhand. Die heiße Wut stieg ihr in die Augen. Die Empörung schüttelte sie.
Ann Kathrin ging auf Hero zu. Er wich zwei Schritte zurück. Einen Moment hatte er Angst vor ihrer körperlichen Nähe, so als könne sie ihre Nahkampfausbildung nutzen, um ihn zu attackieren.
»Das ist ja wohl das Mieseste, was du mir je geboten hast!«, schrie sie. »Du hast ihn mit all deinen psychologischen Tricks eingewickelt und gegen mich eingenommen!« Sie stach mit ihrem
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