OstfriesenKiller
Zeigefinger gegen seine Brust, als sei es ein Messer, das sie in seinen Körper treiben wollte. »Und du nimmst ihn nicht mit zu dieser Susanne!«
Sie sprach den Namen aus wie etwas Widerliches, Verwerfliches. Sie nahm ihre Handtasche von der Garderobe und zog den Zettel heraus, den sie sich im Büro ausgedruckt hatte.
»Die hat einen schlechten Einfluss auf mein Kind!«, brüllte sie. »So etwas lasse ich nicht zu! Du kannst dich ja abgeben, mit wem du willst, aber meinen Sohn ziehst du da nicht mit rein!«
Hero hatte mit viel gerechnet, aber damit nicht. »Spinnst du?« Er tippte sich an die Stirn.
Ann Kathrin hielt ihm das Papier hin. »Zwei Anklagen wegen Drogenbesitzes.«
Hero verzog das Gesicht. Erst guckte er zur Decke, dann nach unten, als würde er sich für seine Frau schämen und keineswegs für seine Geliebte. Er schüttelte den Kopf. »Bitte, Ann! Das ist zig Jahre her. Es waren ein paar Gramm Haschisch. Sie war noch auf dem Gymnasium. Danach würde heute kein Hahn mehr krähen. Das …«
»Du nimmst sie natürlich in Schutz!«, keifte sie. »Ist ja klar! Du hast ja immer schon mit dem Schwanz gedacht!« Wieder tippte sie auf den Zettel. »Fahrerflucht …«
Er riss ihr den Zettel aus der Hand und verwendete ihn nun wie ein Beweismittel gegen seine Frau. »Siehst du eigentlich gar nicht, was du da tust? Du hast Polizeiinformationen benutzt, um …« Er knüllte den Zettel zusammen und warf ihn wie einen Pflasterstein gegen seine Frau. »Ach, mach doch, was du willst!«
Ann Kathrin verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen das Buchregal. Sie hatte ihn getroffen. Der große Psychologe und Menschenkenner Hero Klaasen verlor die Fassung. Zumindest ein wenig.
Hero sammelte sich kurz, dann legte er los. »Ja, sie ist deine Konkurrentin! Ja, sie ist im Bett eine Offenbarung! Das wolltest du doch hören?! Aber kapier doch endlich: Mit deinen Fahndungsmethoden machst du dich höchstens lächerlich. Sie ist deine Rivalin, aber sie ist nicht kriminell! Sie hat einen geregelten Job und mit Eike versteht sie sich ganz prima. Du hättest ihn besser gefragt statt den Polizeicomputer!«
Ann Kathrin konnte nicht anders. Sie verpasste ihrem Mann eine Ohrfeige.
Er dachte nicht einmal daran, die Arme hochzureißen, um sie abzuwehren. Fassungslos stand er da und befühlte mit den Fingern die Stelle im Gesicht, ganz so, als könnte er es nicht glauben. Das war noch nie passiert. In all den Jahren nicht.
Eike stand vor der Tür und sah auf seine Uhr. Es war viel zu früh. Er konnte jetzt noch nicht zur Schule. Es fuhr noch kein Bus.
Eike hatte die Auseinandersetzung seiner Eltern mit angehört. Jetzt klopfte er. Vielleicht brauchten die beiden ihn, um damit aufzuhören.
Ann Kathrin öffnete die Tür. Sie sah ihren Sohn an, als hätte sie ihn noch nie im Leben zu Gesicht bekommen. Wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
Er stammelte: »Mama, ich hab noch gut eine halbe Stunde Zeit. Außerdem hab ich noch nichts gefrühstückt, und ich …«
Sie nickte. »Ja, ja. Du hast recht. Entschuldige bitte. Ich bin ganz durcheinander. Ich hab dir doch Rühreier gemacht.«
Da schoss Hero an ihr vorbei nach draußen zu Eike, nahm seine Hand und zog ihn mit sich aus der Tür. »Wir frühstücken bei Susanne.«
Der Satz traf Ann Kathrin wie eine Antwort auf ihre Ohrfeige, und sie spürte, dass es auch genau so gemeint war. Sie wollte noch hinter Eike herrufen, aber dann hielt sie etwas zurück. Sie durfte ihn nicht vor diese grausame Entscheidung stellen. Sollte er doch ruhig mit seinem Vater gehen. Das Leben entschied sich nicht in solchen zugespitzten Situationen, redete sie sich ein. Das Leben war Alltag. Eike würde zu ihr zurückkommen, wenn ihm das Geturtele der beiden Verliebten auf den Wecker ging. Und die beiden wären wahrscheinlich froh, ihn wegschicken zu können, um sich endlich wieder ihrem Liebesspiel widmen zu können.
Die Eifersucht kroch durch ihre Innereien wie ein Parasit, den sie verschluckt hatte, und der begann sie von innen aufzufressen.
Ann Kathrin Klaasen fuhr nicht über die B 72 den ausgeschilderten Weg von Norden nach Aurich. Sie bog links hinter Norden in Richtung Berumerfehn ab und nahm die Strecke über Westermoordorf und Großheide.
Sie hatte von ihrem Vater gelernt, dass man auf Schleichwegen oft besser zum Ziel kam als über die großen ausgeschilderten Straßen. Wie viel das Verhalten im Straßenverkehr doch über einen Menschen aussagt, dachte
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