OstfriesenKiller
Putzfrau überhaupt in der Lage wäre, die Zimmer wieder auf Vordermann zu bringen, oder ob dafür nicht eine Renovierung nötig wäre.
Offene Pizzaschachteln lagen herum, in denen die Reste schimmelten, und Tim Gerlach warf seine schmutzige Wäsche lieber auf den Boden, als sie zu reinigen.
Weller ging durch einen schmalen Gang zum Fenster und öffnete es.
»Vielleicht«, sagte Weller, »hat Ann recht. Wenn ich hier hausen müsste, würde ich auch alles versuchen, um in eine Millionärsvilla einziehen zu können.«
Es gab kein Bett, nur eine Matratze mit einem blutigen Laken darauf. Rupert fragte sich, ob das etwas für die Spurensicherung sein könnte
Rupert schüttelte den Kopf. »Hat der wirklich Mädchen hierhin gebracht und sie flachgelegt? Ich habe früher meine Bude aufgeräumt und sogar die Toilette geschrubbt, bevor ich …« Er stoppte, weil Weller grinste.
Mindestens ein Dutzend dicker Kerzen, die Weller an Grablichter erinnerten, standen im Raum. Die meisten in der Nähe vom Bett und auf dem Küchentisch.
Dann fand Weller eine Kiste Rotwein. Domaine de Saint Cosme St. Joseph 2003. Eine halb volle Flasche stand neben der Matratze. In der Kiste waren noch fünf volle.
»Das Bürschchen kauft im Kontor ein. Wer hätte das gedacht«, sagte Weller. »Und er ist offensichtlich ein Genießer.«
Waffen fanden sie nicht, dafür eine Menge schmutziges Geschirr.
Weller versuchte, das Licht einzuschalten, aber die Leuchtstrahler blieben dunkel.
»Sie haben unserem jungen Freund den Strom abgedreht, wetten?«
Rupert und Weller hatten genug gesehen. So musste es bei einem durchgeknallten Killer aussehen. Ganz auf sein irres Tun fixiert, ließ er alles um sich herum verrotten. Er kümmerte sich nicht mehr um laufende Rechnungen, wusch keine Wäsche, räumte nicht auf.
Es gab auch ganz andere. Die Zwanghaften. Die alles um sich herum peinlich sauber und in Ordnung hielten, um zu verdecken, dass der Rest ihres Lebens ein einziges Chaos war.
Aber Weller und Rupert kannten das hier nur zu gut. Die Wohnung eines allein lebenden Gewalttäters sah oft so aus wie eine Müllhalde.
An diesem Morgen bereitete Ann Kathrin das Frühstück für Sylvia vor. Sie machte Brötchen warm und stellte selbstgemachte Marmelade auf den Tisch. Eine Klientin von ihrem Mann hatte dieses Geschenk dagelassen.
Die Marmelade roch fruchtig-frisch nach Sanddorn. Eigentlich mochte Ann Kathrin selbstgemachte Marmeladen sehr gern, doch in einem Anflug von Zorn nahm sie einen Esslöffel und baggerte die Marmelade aus dem Glas ins Spülbecken. Sollte der ganze Mist durch den Abfluss fließen!
Sie wollte nichts von Heros Klientinnen mehr im Haus haben. Wahrscheinlich war die auch bloß in ihn verknallt gewesen und hatte versucht, ihn mit der Marmelade zu verführen. Vielleicht war die Marmelade sogar von der Möninghoff. Klientinnen hatten ihm Pullover gestrickt, Kuchen gebacken und Bilder gemalt.
Ann Kathrin ging ins Schlafzimmer, um Sylvia zu wecken. Sie hatte sich ganz zusammengerollt und sah aus, als wollte sie jeden Moment an ihrem Daumen lutschen. Etwas an diesem Bild rührte Ann Kathrin so sehr, dass sie sich fragte, ob sie Sylvia überhaupt wecken sollte. Sie selbst musste ins Büro, aber warum sollte sie die Kleine nicht einfach schlafen lassen? Sie konnte ihr einen Zettel hinlegen:
Frühstück steht in der Küche.
Was sprach dagegen? Sie wusste es selbst nicht genau. Trotzdem weckte sie Sylvia und hatte dabei das Gefühl, etwas falsch zu machen.
Sylvia war natürlich noch verpennt. Sie machte es sich in der Küche gemütlich und begann, in aller Ruhe ihr Brötchen mit Butter zu bestreichen. Sie tat das mit solcher Hingabe und Konzentration, dass Ann Kathrin sich blöd dabei vorkam, auf die Uhr achten zu müssen.
»Mein Dienst fängt gleich an. Ich hab zwar eigentlich Urlaub, aber … bevor der Fall nicht abgeschlossen ist, kann ich nicht guten Gewissens …«
»Kann ich mitfahren? Ich war noch nie bei der Kriminalpolizei. Das ist doch bestimmt ganz spannend.«
»Nein, ich glaube, das kannst du nicht. Das würden meine Kollegen nicht verstehen. Außerdem ist es nicht spannend, sondern eher langweilig. Soll ich dir ein Taxi rufen?«
Sylvia walkte sich das Gesicht durch. »Kann ich nicht einfach hierbleiben und warten, bis du wiederkommst?«
»Nein, das ist keine gute Idee.«
Sylvia verstand. Sie war ein bisschen beleidigt, aber es versöhnte sie, dass Ann Kathrin vorschlug: »Ich kann dich ja mitnehmen und bei dir zu
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