OstfriesenKiller
Hause absetzen.«
Als Ann Kathrin Sylvia vor der Villa Kunterbunt absetzen wollte, stockte sie. Alle Rollläden waren noch heruntergezogen, bis auf einen im Badezimmer. Dort war auch das Fenster auf.
»Warst du das?«, fragte Ann Kathrin und deutete mit dem Kopf auf das Fenster.
Sylvia schüttelte den Kopf. »Nein. Du?«
Ann Kathrin zog ihr Handy, drückte die Kurzwahl von Weller und sprach, nachdem er sich gemeldet hatte, ohne jede Begrüßungsfloskel: »Ich bin mit Sylvia Kleine vor ihrem Haus im Kirschbaumweg. Im Gebäude befindet sich eine unbekannte Person. Ich gehe jetzt rein.«
»Ann, mach keinen Mist. Warte, bis wir da sind.«
Weller hatte recht, aber Ann Kathrin konnte jetzt unmöglich hier im Auto sitzen und auf Weller und Rupert warten. Sie zog ihre Waffe, entsicherte sie und schärfte Sylvia Kleine ein, im Auto zu bleiben. Dann bewegte sie sich zur Tür wie eine ganz normale Besucherin.
Wer immer zum Fenster eingestiegen ist, dachte sie, hat keine Veranlassung, auch zum Fenster wieder herauszugehen. Er wird einfach die Eingangstür benutzen.
Sie hörte Schritte im Haus. Jemand bewegte sich auf die Tür zu.
Tim Gerlach öffnete die Tür. Er hatte eine Sporttasche in der Hand und eine Kiste unterm Arm. Konsterniert blieb er stehen, als er Ann Kathrin Klaasen sah.
»Ich verhafte Sie wegen Einbruchs und Hausfriedensbruchs.«
Tim stieß Ann Kathrin zur Seite, ließ die Kiste und die Tasche fallen und rannte los. Sie folgte ihm sofort. Er hatte knapp zwei Meter Vorsprung.
Er sprang über Spielgeräte und warf eine Sitzbank um. Aber damit behinderte er seine Verfolgerin nicht. Sie bekam sein Hemd zu fassen. Dann schlug sie ihm die Beine weg. Er lag vor ihr auf dem Boden. Sie richtete ihre Heckler & Koch P 2000 auf ihn und sagte: »Im Namen des Gesetzes: Sie sind verhaftet.«
Vierzig Minuten später saß Tim in der Polizeiinspektion Ann Kathrin und Weller beim Verhör gegenüber. Im Hintergrund lief Hit Radio Antenne. Alle Radios hier im Haus waren eingeschaltet und auch jedes Fernsehgerät. Die Medien berichteten ohne Unterbrechung über den Fall.
Inzwischen lagen die Laborergebnisse vor. Es konnte ausgeschlossen werden, dass eines der Schwerter, die in Georg Kohlhammers Haus sichergestellt worden waren, als Mordwaffe gedient hatte. Auf der Pralinenschachtel und dem bunten Verpackungspapier gab es nur Fingerabdrücke von Josef de Vries.
Alle Süßwarengeschäfte, Supermärkte und Bäcker, die solche Pralinen verkauften, wurden inzwischen überprüft. Man zeigte den Mitarbeitern Fotos von Kohlhammer und Tim Gerlach.
Das Geschenkpapier, in das die Pralinen eingepackt worden waren, wurde schon seit zwei Jahren nicht mehr hergestellt. Natürlich war nicht auszuschließen, dass Geschäfte noch Restposten davon hatten, die letzten großen Lagerbestände seien auf Weihnachtsmärkten verkauft worden, behauptete die Herstellerfirma.
Ann Kathrin und Weller einigten sich darauf, dass sie sich Tim alleine vornehmen würde, während Weller und Rupert sich erneut Kohlhammer vorknöpften.
Tim war erleichtert, als Weller verschwand. Er hatte das Gefühl, mit Frauen besser klarzukommen als mit Männern. Er wusste, dass er die hier nicht einwickeln konnte, aber er traute sich zu, sie zu verunsichern.
»Was wollen Sie von mir?«, fauchte er. »Sie können mich nicht ernsthaft wegen Einbruchs festnehmen. Die hat einfach die Schlösser auswechseln lassen, so dass ich mit meinem Schlüssel nicht mehr reingekommen bin. Da drin waren noch Sachen von mir, die wollte ich mir holen. Ich brauch die …«
»Sie haben Sylvia Kleines geistige Behinderung zu Ihrem Vorteil ausgenutzt. Sowohl sexuell als auch finanziell.«
Tim Gerlach grinste und trommelte mit den Fingern einen provozierenden Rhythmus auf die Tischplatte. »Was soll das heißen? Ich hab sie gefickt, na und? Das ist doch nicht verboten. Das würde Ihr Kollege mit Ihnen auch gerne machen. Der traut sich nur nicht, so offen darüber zu reden, stimmt’s?«
»Ich stelle hier die Fragen.«
Im Radio liefen Oldies. Jetzt sang gerade Bruce Springsteen. Die Musik half Ann Kathrin, ruhig zu bleiben. Sie wollte sich auf keinen Fall von dem Bengel provozieren lassen.
Tim Gerlach legte seinen Kopf schräg und sah sie durchdringend an. »Oder hat er es schon bei Ihnen versucht? Hat er Sie flachgelegt? Nein, glaube ich nicht. Sie machen so einen unbefriedigten Eindruck …«
Ann Kathrin kannte so etwas. Junge Männer drehten manchmal so auf. Dann waren sie kurz vor
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