OstfriesenKiller
damit Schwierigkeiten? Aber Ann, ich bitte dich … Allerdings hast du recht. Seine schärfste Waffe ist sein Mundwerk. Der landet in der Politik, wollen wir wetten?«
»Ja, als ich ihn eben neben dem Ministerpräsidenten und dem Kanzler stehen sah, dachte ich, gib dem fünfzehn, zwanzig Jahre, dann ist der selbst Ministerpräsident.«
Weller lachte und bestellte sich auch noch ein Bier.
Ich schaffs nicht, dachte Ann Kathrin. Ich schaffs nicht, es ihm zu erzählen. Warum nicht? Ich muss ihm doch nicht sagen, dass der Mörder mich nackt gesehen hat. Ich kann ihm doch erzählen, ich bin im Garten gewesen. Ich habe diese Feder gesehen, und als ich die Bedeutung dieser Feder erkannte, da hatte der ostfriesische Wind sie bereits davongeweht.
Sie bestellte sich einen Doornkaat und behauptete, sie brauche den zur Verdauung. In Wirklichkeit hoffte sie, er würde ihr Mut machen. Aber so war es nicht.
So waren beide am Ende dieses Abends vom Ergebnis enttäuscht. Ann Kathrin, weil sie nicht mit dem herausgekommen war, worum es ihr ging. Und Weller, weil er gehofft hatte, seiner Kollegin heute Abend privat etwas näherzukommen.
Ann Kathrin Klaasen betrat ihr Haus im Distelkamp mit einem mulmigen Gefühl. Der letzte Zug nach Norddeich ratterte gerade vorbei. Es war später geworden, als sie erwartet hatte. Es musste bereits 23.15 Uhr sein.
Durch die erleuchteten Fenster sah sie nur wenige Menschen in den Zugabteilen. Die Menschen, die in Norddeich übernachteten, waren längst in ihren Zimmern, und für die Fähre nach Norderney war dieser Zug zu spät.
Sie fragte sich, warum der Zug überhaupt fuhr. Die Touristensaison hatte doch noch gar nicht begonnen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben bewegte sie sich bewusst mit ihrer Dienstwaffe durchs Haus und kontrollierte jedes Zimmer. Sie sah unterm Bett nach und in den Schränken. Sie ließ jede Rolllade herunter. Doch je mehr sie sich einigelte, umso deutlicher wurde ihr, dass sie hier nicht würde schlafen können. Nicht, solange Tim Gerlach noch frei herumlief.
Er erinnerte sie an den jugendlichen Mörder, den ihr Vater festgenommen hatte. Er hatte ihr viel von ihm erzählt, denn der Mörder war genauso alt wie sie damals. Sechzehn. Er lebte mit seinen Eltern im Streit, und um an ihr Vermögen und die Lebensversicherung zu kommen, tötete er sie beide in der Nacht. Er täuschte einen Einbruch vor, und die Kripo fiel zunächst darauf herein. Die herzkranke Tante nahm sich des Jungen an. Er tauschte ihre Tabletten aus. Sie wäre fast gestorben, konnte im Krankenhaus aber reanimiert werden. Später sagte die alte Dame, sie habe einen Verdacht gehabt, den aber nicht geäußert, weil er so ungeheuerlich gewesen sei.
Jetzt erinnerte Ann Kathrin sich auch wieder an den Namen: Danny hieß das Früchtchen. Ein erneuter Anschlag auf seine Tante wäre wahrscheinlich erfolgreich gewesen, wenn ihn nicht vorher eine Freundin verraten hätte. Er hatte vor ihr damit geprahlt, bald reich und unabhängig zu sein.
Was ihren Vater am meisten erschüttert hatte, war, wie unbeteiligt der Junge über die Ermordung seiner Eltern berichtete. Zu seiner Entschuldigung brachte er vor, sie hätten immer an ihm herumgemeckert und seiner Freiheit im Weg gestanden.
Sie war definitiv allein im Haus. Fast sehnte sie sich zurück in die Villa Kunterbunt. Dort existierte zwar die Bedrohung genauso, aber es war irgendwie anders, wenn man nicht allein war. Natürlich wäre Sylvia nicht die beste Fighterin, um mit einem Mörder fertig zu werden. Aber darum ging es nicht. Das traute sie sich selbst zu. Sie brauchte einen Gesprächspartner. Menschliche Nähe. Am liebsten wäre ihr jetzt ihr Sohn Eike gewesen.
Ann Kathrin hörte einen Wagen, der aufs Haus zurollte. Sie zog die Rollläden im Flur einen Zentimeter weit hoch, so dass sie durch die Lamellen einen Blick auf die Straße werfen konnte. Dort stand ein Taxi. Sie konnte die Aufschrift auf der Tür lesen: 2–1–4–4.
Wer kam um diese Zeit mit einem Taxi zu ihr? Sie konnte nicht erkennen, wer ausstieg.
Es klingelte. Vielleicht war es Eike, der sich mit Susanne Möninghoff gestritten hatte und lieber bei seiner Mutter bleiben wollte, als seinem Vater beim Turteln mit seiner Geliebten zuzusehen. Aber wenn es Eike war, warum klingelte er dann? Er hatte doch einen Schlüssel.
Ann Kathrin ahnte es. Nach seinem letzten nächtlichen Besuch hier im Distelkamp klingelte er wohl lieber, statt sich ins Haus zu schleichen.
Auf keinen Fall wollte sie ihm
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