OstfriesenKiller
Eltern erst einmal aus dem Weg geräumt seien, glaubte er Sylvia schnell unter seine Kontrolle zu bekommen.«
»Er war damals höchstens zwanzig«, warf Weller ein.
»Ja«, gab Ann Kathrin zu, »aber ich habe schon Mörder verhaftet, die waren fünfzehn. Und weißt du, wo Tim Gerlach Urlaub gemacht hat, als das Boot von Sylvias Eltern explodierte?«
Natürlich ahnte Weller die Antwort: »In Griechenland?«
Ihr Blick gab ihm recht.
Stumm aßen die beiden weiter. Doch keiner von ihnen war auf sein Essen konzentriert. Jeder hing dem Fall nach, und Ann Kathrin fragte sich, ob jetzt nicht endlich die Zeit gekommen war, Weller von der blauen Feder in ihrem Garten zu erzählen. Sie hatte es eigentlich vorgehabt. Deswegen hatte sie ihn hierher eingeladen. Aber nun schaffte sie es nicht.
»Und dann hat er ihren Opa und ihre Oma umgebracht?«
»Ich habe die Exhumierung der Großmutter beantragt. Sie hatte Diabetes. Eine Überdosis Insulin reicht aus, um einen Menschen zu töten. Ein kleiner Pflegenotfall … Gerlach ging dort im Haus ein und aus. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen …«
»Und dann hat er den Opa überfahren?«
Ann Kathrin zerquetschte eine Kartoffel und träufelte zerlassene Butter darüber. »Nehmen wir einmal an, es ist so gewesen. Vielleicht begann auch alles viel harmloser. Vielleicht war das mit den Eltern wirklich ein Unfall. Dann hat der Junge sich um Sylvia gekümmert. Er sah diese gigantische Möglichkeit. Aber Oma und Opa waren im Weg. Vielleicht ist die Oma sogar eines natürlichen Todes gestorben. Schließlich hat er den Opa aus dem Weg geräumt. Es muss nicht alles von Anfang an geplant gewesen sein. Manchmal kriegen solche Dinge eine Dynamik, die nicht mehr zu stoppen ist. Dann bekommt Ulf Speicher die Fürsorge für Sylvia übertragen. Und weil das Töten für Tim inzwischen nichts Besonderes mehr ist, räumt er ihn aus dem Weg.«
»Ja«, sagte Weller ein bisschen spöttisch, »man gewöhnt sich an alles. Und warum dann Paul Winter?«
»Weil er was mit Sylvia hatte.«
»Und Kai Uphoff?«
»Der vermutlich auch. Oder er war ein Zeuge.«
»Es kann alles so gewesen sein, wie du sagst. Aber wir haben dafür keine Beweise. Ebenso wenig, wie wir etwas Handfestes gegen Georg Kohlhammer in der Hand haben. Es sei denn, wir finden wirklich Blutspuren an seinen Schwertern. Aber für so dämlich halte ich den nicht.«
»Tim Gerlach ist seit vielen Jahren im Bogenschützen-Verein.«
Weller ließ sein Besteck sinken. »Jetzt reicht’s. Ich glaube, wir nehmen uns das Bürschchen einfach mal vor. Hausdurchsuchung, Vernehmung – das volle Programm.«
Ann Kathrin bestellte sich noch ein Bier und trank in langen Zügen. Sie ärgerte sich über sich selbst. Für dieses Gespräch hätte sie Weller nicht hierher einladen müssen. Das hätte sie genauso gut morgen bei der Dienstbesprechung ansprechen können. Sie war die Chefin. Wieso musste sie sich von ihm ein O. k. einholen? Warum hatte sie nicht Rupert mit zu dem Essen eingeladen?
Weller war ihr irgendwie näher. Er war weicher, verständnisvoller. Ihm konnte sie die Geschichte mit der blauen Feder erzählen. Wenn nicht ihm, wem dann?
»Wenn aus unserem schönen Essen schon eine Dienstbesprechung wird«, sagte Weller mit einer gewissen Kritik in der Stimme, so als hätte er sich etwas anderes erhofft, so etwas wie ein Date, »dann lass uns doch mal über Ludwig Bongart nachdenken. Der junge Mann, dessen Stimme wir gerade in den Nachrichten gehört haben. Diese ganze Geschichte katapultiert ihn unglaublich nach oben.«
»Du meinst, dein Zivi ist gar nicht so ein Unschuldslamm?«
»Wieso mein Zivi?«
»Na, der ist doch für dich einkaufen gegangen, oder?«
Weller schüttelte leicht den Kopf. Das Ganze war ihm immer noch peinlich.
»Was, wenn Jutta Breuer recht hat, und sie hatten alle was mit Sylvia Kleine? Vielleicht hat Ludwig Bongart auch gerne Geschenke von ihr angenommen, um sein junges Glück zu finanzieren …«
»Ein Zivi, der es sich leisten kann zu heiraten und ein Kind zu kriegen, der eine schöne, komplett eingerichtete Wohnung hat?«
»Aber warum sollte er …«
»Vielleicht hat seine Heiligkeit Ulf Speicher gedroht, dem Spuk ein Ende zu machen. Das war bestimmt nicht schwer. Er musste doch nur damit drohen, der schwangeren Freundin die ganze Wahrheit zu erzählen.«
»Ich bezweifle, dass der überhaupt mit einer Waffe umgehen kann.«
Weller lachte. »Du meinst, als Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen hätte er
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