Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
passiert, wenn du solchen Leuten gegenübertrittst?«
    »Ich weiß es nicht!«, zeterte er. »Ich fühle mich dann elend. So, als würde ich alles falsch machen, und als sei mein ganzes Leben ein Haufen von Irrtümern. Als hätte ich die falschen Schuhe an, als sei mein Hemd nicht richtig zugeknöpft. Ich muss dann dauernd auf meine Fingernägel gucken, weil ich Angst habe, dass sie dreckig sind … Und es ist echt nicht sein Geld, Ann. Es ist dieses gebildete Gehabe.«
    »Nur weil dir ein Akademiker gegenübersteht, macht dich das doch noch nicht zum Idioten, Frank. Du benimmst dich dann manchmal wie … Rupert.«
    Weller sah sie an, als hätte sie nichts Schlimmeres sagen können.
    »Wie Rupert?«
    »Naja, er könnte auch solche Sachen sagen«, relativierte sie.
    »Wenn ich solchen Typen wie diesem Ollenhauer begegne, habe ich das Gefühl, von denen nicht ernst genommen zu werden.«
    »Und du buhlst um ihre Anerkennung, indem du sie attackierst?«
    »Ja, verdammt! Vielleicht ist es so. Ich lehne sie ab, bevor sie die Möglichkeit haben, mich abzulehnen …«
    Ann Kathrin fand, das sei schon eine ganz gute Erkenntnis. Aber so, wie sie den Mund verzog, machte es Weller noch kleiner, als er sich ohnehin schon fühlte.
    »Warum«, fragte Ann Kathrin, »gibst du ihnen solche Macht?«
    Er wäre am liebsten aus dem Auto weggelaufen. Ja, sie konnte seinen Fluchtimpuls körperlich spüren und legte eine Hand auf seinen Unterarm.
    »Manchmal, wenn ich solchen Typen begegne, Ann, dann habe ich das Gefühl, ich stehe plötzlich vor meinem strengen Vater. Ich sehe diese Leute dann gar nicht mehr richtig, sondern nur noch meinen Alten, dem ich nie was recht machen konnte und für den ich immer ein Versager war und der …«
    Während er redete, hielt er die Augen fest geschlossen. Dann spürte er plötzlich ihre Lippen auf seinen. Sie küsste ihn flüchtig und schlug vor: »Lass mich fahren.«
    Zu Hause im Distelkamp liebten sie sich sanft und zärtlich, so als hätte jeder Angst, den anderen zu verletzen. Die Initiative ging eindeutig von ihr aus, aber er spielte mit. Dabei fragte er sich, ob sie es nur tat, damit er sich nicht mehr als kleiner Junge, sondern endlich wieder als Mann fühlte.
    Das bekam er aber nicht über seine Lippen. Stattdessen fragte er danach: »Machen dich weinerliche, verzweifelte Männer scharf?«
    Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zur Decke. Sie ließ sich mit der Antwort Zeit.
    »Du brauchst deinen Vater echt nicht mehr«, sagte sie. »Du machst selber, was er sonst getan hätte.«
    Weller sah sie verständnislos an.
    »Du putzt dich selber runter. Er wäre stolz auf dich. Du schaffst das ja jetzt ohne ihn. Dazu brauchst du ihn nicht mehr.«

    Ann Kathrin stand vor einer schweren, aber notwendigen Entscheidung. Es war unwahrscheinlich, dass ihre Mutter jemals wieder alleine, ohne fremde Hilfe, würde leben können. Ihre Wohnung musste aufgelöst und eine neue, alters- und krankheitsgerechte Bleibe gefunden werden.
    Ann Kathrin konnte zwar mit ihrer Mutter singen, aber solche Dinge zu besprechen, war völlig undenkbar. Einerseits wollte sie es ihrer Mutter so leicht wie möglich machen, alles für sie richten und organisieren. Andererseits kam sie sich übergriffig dabei vor, als würde sie die alte Dame gegen ihren Willen bevormunden und entmündigen.
    Jeder Versuch, die Sache auch nur anzusprechen, regte ihr Mutter enorm auf, reduzierte ihre Sprache auf p- und f-Laute und brachte sie zu stundenlangem Kopfschütteln. Sie weigerte sich, ihre Situation anzuerkennen und bäumte sich dagegen auf. Wenn sie die Ausweglosigkeit erkannte, weinte sie.
    Ann Kathrin litt mit, und die Besuche bei ihrer Mutter stürzten sie immer wieder in ein tiefes Tal, so als sei alles menschliche Tun doch nur ein hoffnungsloser Versuch, den Verfall aufzuhalten.
    Bei der AWO in Norden hatte sie ein gutes Gespräch über die Möglichkeiten der Pflege. Man zeigte ihr eine kleine, altersgerechte Wohnung. Ganze fünfundvierzig Quadratmeter. Die Möbel ihrer Mutter würde sie dort unmöglich alle unterkriegen. Wohin mit dem Rest? Durfte sie die Sachen einfach verkaufen? War es ein notwendiger, richtiger Schritt oder eine unverschämte Übergriffigkeit?
    Es gab bei der AWO eine kleine Küche, ein Wohnzimmer, ein winziges Schlafzimmer und ein Bad.
    Die ganze Anlage machte einen sehr gepflegten Eindruck. Es war ein kleiner Park mit viel Grün, ruhig, aber ganz nah an der Innenstadt, zur Post, zum Markt und zu den

Weitere Kostenlose Bücher