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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Wahnsinnigen aus dem Verkehr, oder ich tue es. Der wird jedenfalls meiner Familie nicht mehr zu nahe kommen. Nie wieder. Das garantiere ich Ihnen.«
    Weller brauchte frische Luft.

    Das Kind hörte einfach nicht auf zu schreien. Irgendwann musste es doch müde werden.
    Sie hob Tina aus dem Kinderbett und legte sie noch einmal an die Brust. Sofort war die Kleine ruhig und begann, an dem Nippel zu saugen. Aber weil keine Milch kam, zitterten die Lippen des Kindes nach kurzer Zeit, und mit zusammengepressten Augen begann das Jammern erneut.
    Sie glaubte zu hören, dass das Baby bereits heiser sei. Sie zog die Spieluhr wieder auf und berührte Tinas Gesicht mit dem Kuscheltier. Aber auch dem Stoffäffchen gelang es nicht, Tina zu beruhigen.
    »Ich weiß, was du hast«, sagte sie. »Du vermisst dein Schwesterchen. Keine Sorge. Du bleibst nicht allein. Ich werde sie holen. Schlaf jetzt ein bisschen, und wenn du wach wirst, seid ihr beiden wieder zusammen.«

    Lucy zitterte am ganzen Körper. Das Zittern kam jeweils mit den Tränen. Wenn sie nach ein paar Minuten, in denen sie nicht ansprechbar war und sich regelrecht einweinte, als ob sie nie wieder aufhören könnte, plötzlich katatonisch wurde, versiegten die Tränen. Unbeweglich, ja steif, saß sie da und starrte ins Leere.
    Auf sehr bildhafte Weise erinnerte das pubertierende Mädchen Ann Kathrin an ihre Mutter. Es sah aus, als hätte die Kleine auch Wortfindungsprobleme.
    Ann Kathrin fragte sich, was im Kopf des Mädchens ablief. Ihre Pupillen veränderten sich, als ob sie einen erschreckenden Breitwandfilm in einem leeren Kino sehen würde. Einen Film, für den sie viel zu jung war.
    Weller kam rein, warf einen flüchtigen Blick auf Lucy und reichte Ann Kathrin einen Zettel rein. Sie nahm das Papier und nickte Weller zu. Er war in Sekunden wieder draußen.
    Ann Kathrin konnte schlecht mit Lucy singen wie mit ihrer Mutter. Sie kochte zunächst einen Tee und bot dem Mädchen ein paar Kekse an. Lucy fasste nichts davon an, aber sie begann zu schnuppern und drehte ihr Gesicht zur Teetasse. Es war, als würde sie über den Teegeruch zur Sprache zurückfinden. Sie biss sogar von einem Keks ab.
    Dann begann sie zu sprechen. Zunächst ohne Töne. Ihre Lippen formten stumm Worte.
    »Ich bin an allem schuld. Ich.«
    Es tat Ann Kathrin in der Seele weh, das Mädchen so von Selbstvorwürfen zerfressen zu sehen. Sie bemühte sich um eine ruhige, warme Stimme, und es gelang ihr erstaunlich gut, dabei einen nicht zu mütterlichen Tonfall anzuschlagen.
    »Nein, ich glaube, das bist du nicht. Ich bin Kommissarin. Ich halte mich an die Gesetze. Du bist dreizehn Jahre alt, also strafunmündig. Personen, die zur Tatzeit jünger sind als vierzehn Jahre, gelten bei uns als Kinder, und Kinder sind laut Gesetz schuldunfähig.«
    Sie betonte das Wort schuldunfähig .
    Zum ersten Mal sah Lucy bewusst in Ann Kathrins Gesicht. Sie pustete. Kekskrümel staubten von ihren Lippen.
    »Sie haben ja keine Ahnung. Meine Mutter bringt mich um.«
    Ann Kathrin las den Zettel von Weller. Dann zerknüllte sie ihn und warf ihn in den Papierkorb.
    »Niemand bringt dich um. Lass uns nicht über Schuld reden, sondern über die Tat. Hast du gesehen, wer deine Schwester Tina entführt hat?«
    Lucy schüttelte den Kopf. »Nein. Denken Sie, ich bin blöd? Ich hätte doch dann geschrien!«
    »Hm. Es sei denn, du kennst den Täter und denkst dir, er wird schon nichts Schlimmes machen. Vielleicht war es ein Scherz …«
    »Ein Scherz? Sind Sie völlig plemplem?«
    So, wie sie reagierte, vermutete Ann Kathrin, dass auf Wellers Zettel die Wahrheit stand:
    Ihr Stiefvater sagt, es war ihr Dad.
    »Wenn du weißt, wer es war, solltest du es mir sagen …«
    »Ich weiß es aber nicht, verdammt!«
    »Weißt du es nicht, oder schützt du jemanden?«
    Jetzt kapierte Lucy. Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften.
    »Das hat er Ihnen erzählt. Der ist so hinterfotzig und intrigant!«
    »Wer?«
    »Na, der neue Stecher meiner Mutter.«
    »Findest du, das ist die richtige Bezeichnung für deinen Stiefvater?«
    Lucy warf stolz den Kopf in den Nacken. Die Wut und die Aufsässigkeit wirkten wie eine gute Medizin. Lucy drückte ihre Füße fest auf den Boden. Es war, als würde sie in ihren Körper zurückkehren.
    »Wie soll ich ihn denn sonst nennen? Pizzafresse? Schmarotzer? Fliegenpilz? Heiratsschwindler? Assi?«
    Sie hätte die Aufzählung locker noch länger fortführen können und hatte einige viel härtere Ausdrücke drauf,

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