Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
auch gerne hier gemacht. Aber jetzt ist meine Tochter weg.«
Plötzlich ging das Radio wieder an.
»Ich hätt so manchen Tag …
lieber mit dir verbracht.«
Die verängstigte Frau nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen und das Radio auszuschalten.
»Radio Ostfriesland, aber wir kriegen den Sender nicht richtig rein«, sagte sie. »Ständig Empfangsstörungen.«
Schacht knallte mit der Faust auf den Tisch. Sie zuckte zusammen.
»Ich hab gesagt, Sie sollen sich setzen, verdammt nochmal! Setzen!«
Sie nahm auf dem Stuhl Platz. Sie saß aufrecht, nur mit einer Pobacke auf der Stuhlkante. Ihre Finger spielten nervös mit dem Gürtel des Bademantels und drehten ihn zusammen.
»Wo hat er meine Tochter hingebracht? Oder ist das Kind noch hier?«
Schacht sprang auf und begann, die Wohnung zu durchsuchen. Er stieß die Schlafzimmertür auf.
Die durchwühlten Betten waren der Frau peinlich, so, als sei es üblich, aufzuräumen und die Betten zu machen, bevor man überfallen wird.
»Natürlich ist die Kleine nicht hier. So dämlich seid ihr nun doch wieder nicht.«
»Wir … wir haben Ihre Tochter nicht. Bestimmt nicht!«
»Wieso macht ihr euch nicht selbst ein Kind, wenn ihr gerne eins haben wollt, häh?«
Sie hatte Tränen in den Augen, antwortete aber nicht, sondern presste die Lippen fest aufeinander.
Vom Schlafzimmerfenster aus konnte Schacht sehen, dass ein Polizeiwagen in die Straße einbog. Plötzlich hatte er es sehr eilig. Er tippte mit dem Zeigefinger zweimal fest gegen die Stirn von Wolfgang Müllers Freundin und prophezeite: »Ich komme wieder. Ihr findet keine Ruhe mehr. Schöne Grüße. Ich will mein Kind zurück, und wenn er meiner Tochter nur ein Haar gekrümmt hat, mache ich ihm das Leben zur Hölle. Er wird bereuen, dass er jemals geboren wurde.«
Die Frau wirkte, als ob sie jeden Moment in Ohnmacht fallen könnte, aber darum kümmerte Schacht sich nicht. Er drehte sich auf dem Absatz um, lief die Treppe hinunter und verschwand aus dem Haus, ehe die Polizeibeamten ihr Auto verlassen hatten.
Weller und Ann Kathrin gingen auf das Gebäude zu. Die verunsicherte Frau wollte ihnen zunächst nicht aufmachen, sondern drohte, die Polizei zu rufen, was sie dann versuchte. Sie war nur schwer davon zu überzeugen, dass die Polizei bereits vor der Tür stand, obwohl ein blausilberner Dienstwagen unten parkte.
Sie hieß Angela Riemann und gab vor, Wolfgang Müller Anfang des Jahres im Gesundheitspark Nienhausen in Gelsenkirchen in der Vitalsauna bei einem Salzaufguss kennengelernt zu haben. Sie gab an, er sei zwar manchmal jähzornig, aber sonst ein prima Typ. Sie hätten den heutigen Tag gemeinsam in Groningen verbracht und seien dort shoppen gewesen. Vor einer halben Stunde seien sie hierhin zurückgekommen. Er müsste jeden Moment wieder hier sein, er sei nur kurz nach Norden zur Pizzawerkstatt Mundfein gefahren. Sie habe erst mal geduscht.
Von dem merkwürdigen Besucher erzählte sie zunächst nichts. Aber Ann Kathrin und Weller merkten natürlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Frau war eigenartig verstört, als würde sie unter Schock stehen, so als habe sie Schacht ein Versprechen gegeben, nichts zu verraten, und als müsse dies Geheimnis auf jeden Fall gewahrt bleiben.
Dann, plötzlich, platzte es aus ihr heraus. Sie brach in Tränen aus, schützte ihr Gesicht mit den Händen, sodass weder Ann Kathrin noch Weller ihre Augen sehen konnten, und weinte: »Er ist gerade hier gewesen! Ich habe Todesangst gehabt! Ich dachte zunächst, er will mich vergewaltigen oder es ginge ihm nur um Geld, aber dann hat er gesagt, dass er hinter Wolfgang her sei. Er glaubt, Wolfgang hätte sein Kind entführt.«
»Wer?«, fragte Weller, und Ann Kathrin warf ihm einen missbilligenden Blick zu, deshalb beantwortete er die Frage gleich selbst. »Thomas Schacht?«
Sie nickte. »Ja, der Neue von Gundula.«
Dann beklagte sie sich darüber, dass diese Frau wie ein Phantom über ihrer Beziehung schweben würde. Sie hätte nie das Gefühl, Wolfgang für sich allein zu haben. Immer müsse sie sich mit dieser Gundula messen. Er wollte seine Ehefrau im Grunde zurückhaben, und sie käme sich manchmal so vor, als sei sie nur ein schaler Ersatz für die Frau, die er nicht mehr haben konnte.
»Beantworten Sie mir jetzt bitte ganz klar eine Frage«, sagte Ann Kathrin streng. »Wo waren Sie und Herr Müller zur Tatzeit?«
»Wir waren zusammen. Wir waren die ganze Zeit zusammen.«
»Sieht man«, stellte Weller bissig
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