Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Scheibchen Salami fiel von seiner Pizza und landete zusammen mit ein paar Krümeln Pizzateig auf dem Teppich.
Ann Kathrin saß hinterm Steuer und kaute auf der Unterlippe herum. Sie sah getroffen aus, unglücklich, war aber nicht bereit, darüber zu reden.
Weller kämpfte auf dem Beifahrersitz immer noch mit seiner Pizza, und je mehr er sich anstrengte, umso größere Käsefladen tropften auf seine Hosenbeine. Er kam sich dämlich vor und hätte den Rest Pizza am liebsten aus dem Fenster geworfen, aber er wusste, dass er auch damit bei Ann Kathrin nicht gerade punkten konnte. Respektvoller Umgang mit Essen war ihr wichtig.
Sie blieb betont sachlich und ganz beim Fall, aber ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Die Einkaufsquittungen sind von heute.«
»Na bitte«, sagte Weller, und es hörte sich an, als würde er durch eine Wolldecke sprechen. »Das ist so gut wie ein Alibi.«
Ann Kathrin lachte gekünstelt. »So, findest du?« Sie warf ihm einen missbilligenden Blick zu und bog in die Norddeicher Straße ein.
Weller hielt sich die Hand vor den Mund und erklärte: »Na klar, ich meine, sie gibt ihm ein Alibi, sie behauptet, sie seien in Groningen gewesen, sie hätten Sachen eingekauft und die seien sogar heute erstanden worden …«
»Sie hätten das Kind aus dem Kinderwagen klauen, mit ihm nach Groningen fahren und dann nach einem Einkaufsbummel wieder zurückkommen können.«
Weller schluckte schwer. Das hörte sich monströs an und war völlig logisch. Ein Pärchen mit einem Baby auf dem Rücksitz fällt niemandem auf.
»Du meinst, die beiden machen gemeinsame …«
»Es wäre denkbar. Genauso gut könnte sie aber auch alleine nach Groningen gefahren sein und die Sachen eingekauft haben, eben, um ihm damit ein Alibi zu geben.«
Ann Kathrins Stimme wurde leiser und war bei dem Motorenlärm des Gegenverkehrs kaum noch zu hören. »Sie könnte sogar das Kind aus dem Kinderwagen geholt haben, während er in Groningen einkaufen war.«
Das fand Weller geradezu absurd. Er konnte aber nicht erklären, warum.
»Es ist doch komisch«, sagte Ann Kathrin. »Die Dinge passen nicht zusammen. Wenn er weiterhin seine Exfrau liebt und die zurückhaben möchte, dann verstehe ich, dass er hinter ihr her fährt, um Kontakt zu seiner Tochter und zu ihr zu haben. Vielleicht wartet er auf eine günstige Gelegenheit, hofft darauf, dass sie sich mit ihrem neuen Mann streitet, versucht, einen Keil zwischen sie zu treiben – all das kann ich nachvollziehen. Aber warum, verdammt nochmal, nimmt er dann seine neue Freundin mit?«
Das konnte Weller sich wiederum sehr gut erklären. »Naja, um seine Ex eifersüchtig zu machen. Du hättest mal Renate sehen sollen! Die hat mir solche Hörner aufgesetzt, dass ich aussah wie ein norwegischer Elch, aber wehe, es interessierte sich eine Frau für mich, dann flippte sie völlig aus!«
Ann Kathrin fuhr fünfzig und wurde von einem hupenden Audifahrer überholt, der ihr auch noch Doof zeigte. Sie ließ sich davon jetzt nicht irritieren.
»Soll ich die Nummer aufschreiben?«, fragte Weller.
Sie schüttelte nur den Kopf.
»Wir könnten den Idioten anzeigen.«
Ann Kathrin ging gar nicht darauf ein. »Entweder«, sagte sie, »die beiden sind wirklich unschuldig, und wir müssen sie vor Schachts Wut schützen, oder sie sind äußerst raffiniert und spielen ein übles Spiel.«
Weller war froh, die Pizza endlich verdrückt zu haben, und wischte sich die fettigen Hände an einem Tempotaschentuch ab.
Thomas Schacht stolzierte mit zackigen Bewegungen vor dem Haus im Muschelweg auf und ab und rauchte eine Zigarette. Er inhalierte tief und rauchte auf eine solch aggressive Art, als würde es ihm Spaß machen, sich selbst Schaden zuzufügen.
Genussraucher sehen anders aus, dachte Ann Kathrin, als sie an den niedrigen Rosenrabatten vorbei auf ihn zuging.
Sie begrüßte ihn passend zu seinem Gang fast militärisch knapp, und ohne sich an die genauen Vorgaben für eine Gefährderansprache zu halten, ging sie hart mit ihm ins Gericht.
»Sie sind im Fischerweg in die Ferienwohnung von Wolfgang Müller und Angela Riemann eingedrungen. Dies war Hausfriedensbruch. Außerdem könnten Sie sich eine Anzeige wegen Nötigung einhandeln. Sie haben Frau Riemann belästigt und ihr Angst gemacht. Bei allem Verständnis dafür, dass Ihr Kind entführt wurde, weise ich Sie hiermit darauf hin, dass Sie die Ermittlungsarbeit der Polizei zu überlassen haben!«
Schacht lachte laut. »Ja, prima! Bringen Sie
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