Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Kind ist, und da ist sie jetzt auch. Ich werde jetzt sofort die Polizei rufen und sie suchen lassen.«
»Spinnst du?«
Entgeistert sah er Gundula an. »Willst du dein Kind denn nicht zurück?«
Jetzt kreischte Ina in ihrem Bettchen. Gundula hob Ina hoch und presste sie an sich. Doch das Kind ließ sich dadurch nicht beruhigen.
Thomas registrierte das sehr wohl, sagte aber nichts. Stattdessen wählte er mit seinem Handy den Notruf.
Das wäre beinahe schiefgegangen, dachte sie. Ich bin einfach zu unvorsichtig.
Sie saß in den Sanddornsträuchern direkt unter dem Fenster und hielt den Atem an.
Hast du mich in eine Falle gelockt, Universum? Es sah doch alles so günstig aus …
Muss ich jetzt etwa dankbar sein, weil ich das Glück hatte, die Stimmen früh genug zu hören? Nur weil Gundula ihren Mann kurz aufgehalten hat, statt ihn einfach in Lucys Zimmer stürmen zu lassen? Manchmal weiß ich nicht, ob es da draußen eine Macht gibt, die mich schützt oder die sich die ganze Zeit über mich kaputt lacht und mich ständig in neue, schlimme Situationen bringt.
Vielleicht ist es auch eine Art Wechselspiel. Manchmal hat halt der Teufel die Oberhand, und manchmal ist es die göttliche Hand, die mich beschützt.
Die Stimme von Thomas Schacht kam näher.
»Ja, verdammt, Sie haben mich richtig verstanden! Meine Stieftochter Lucy Müller ist verschwunden, und ich garantiere Ihnen, sie ist da, wo auch das Baby sich befindet!«, brüllte er ins Handy und schloss hart das Fenster. Fast hätte er ihren Kopf berührt. Sie konnte noch den Luftzug der Bewegung spüren.
»Keine Angst, kleine Ina, ich hol dich. Du musst nicht länger hierbleiben. Du gehörst zu mir. Sei nicht böse, dass ich euch heute noch nicht wieder zusammenbringen kann. Aber bald ist es soweit. Ich bin in deiner Nähe …«
Am liebsten wäre sie jetzt im Meer schwimmen gegangen. Aber sie hatte etwas Wichtigeres zu tun. Etwas viel Wichtigeres …
Ann Kathrin Klaasen stand in ihrem Haus im Distelkamp 13 mit geschlossenen Augen unter der Dusche. Sie hatte das Wasser so heiß wie nur möglich eingestellt. Es tat fast weh auf der Haut, und genau das wollte sie. Sie musste sich reinwaschen von all dem Dreck, um wieder klar zu werden.
Sie versuchte, ihre Gedanken darauf zu richten, dass sie und Weller bald heiraten würden. Andere Paare, dachte sie, würden jetzt wahrscheinlich händchenhaltend irgendwo sitzen, über die Hochzeitsfeier reden und die Torte aussuchen. Und wir? Wir jagen ein verlorengegangenes Kind, mischen uns in Familienstreitigkeiten und werden im Grunde von allen Beteiligten nur gehasst. Am Ende sind wir auch noch an allem schuld, und jeder hätte es besser gemacht, wenn er an unserer Stelle gewesen wäre.
Wie sehr sie das alles hasste! Und doch wusste sie, dass sie nicht bereit war, etwas anderes zu tun.
Duschnebel dampfte hoch und hüllte sie ein.
Weller war ein bisschen enttäuscht, weil er gehofft hatte, zusammen mit ihr in die Badewanne gehen zu können. Dabei vielleicht ein Glas Rotwein in der Hand zu halten und über die Zukunft zu sprechen. Aber er sah ein, dass sie jetzt diese heiße Dusche so schnell und dringend brauchte. Da war kein Platz für romantisches, gemeinsames Baden.
In der Küche stand noch eine offene Flasche Rotwein. Er holte sie und goss Ann Kathrin und sich ein. Er entschloss sich, schnell etwas für sie zu kochen. Er nahm einfach das, was gerade da war. Es gab noch Schmetterlingsnudeln und ein paar Scheiben Schinken. Eier, Frischkäse, Gurken. Er hatte keinen frischen Knoblauch mehr, was er sehr bedauerte, aber er fand noch eine Möhre.
Schnell war alles gehackt und gewürfelt, und als sie aus der Dusche kam, stand bereits eine Nudelpfanne á la Weller auf dem Tisch.
Er warf noch ein paar Garnelen oben drauf, doch als er die große Pfeffermühle drehte, knirschte es nur, und heraus fiel ein bisschen alter Pfefferstaub. Alles andere als den frisch gemahlenen Geschmacksnervenöffner, mit dem er eigentlich die Nudelpfanne verfeinern wollte.
Die Hausdurchsuchung bei Dr. Alexander David Ollenhauer war auf sieben Uhr morgens angesetzt. Um sechs trafen sich bereits die Einsatzkräfte im Polizeipräsidium Wilhelmshaven in der Kurt-Schumacher-Straße. Das langgestreckte, flache Gebäude bestand nur aus Glas und Beton.
Es sollten jeweils zwei Kollegen aus Aurich mit den Ortskräften zusammenarbeiten. Eigentlich hätte Rupert bei Nils Renken in Delmenhorst sein sollen, um gemeinsam mit Sylvia Hoppe dort dabei
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