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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Mauer symbolisiert. Ich vermute, seine Opfer haben – in seiner Vorstellung – einmal eine Grenze verletzt oder zu weit überschritten. Es ist fast, als wolle er sie wieder hinter diese Grenze zurückbringen, etwas ungeschehen machen. Ich hatte auch das Gefühl einer Beichtstuhlsituation. Vielleicht ist er religiös. Möglicherweise katholisch.«
    Huberkran sah Weller mit hochgezogenen Augenbrauen an. In seinem Blick lag die Frage: Geht sie jetzt nicht ein bisschen zu weit?
    Weller sprang seiner Ann Kathrin sofort mit einem Argument zur Seite. Er ging zum Buchregal und schritt suchend die Reihen ab, obwohl er wusste, dass er das Buch hier nicht finden würde. Sie sollten sehen, dass sie es mit Lesern zu tun hatten.
    »Ich habe mal in einem Mittelalterkrimi gelesen, dass Nonnen sich, wenn ihre Klöster überfallen wurden, selbst eingemauert haben, um nicht vergewaltigt zu werden. Überhaupt ist einmauern – glaube ich – ein altes, religiöses Ding. Es kommt aus der christlichen Tradition.«
    »In einem Mittelalterkrimi hast du das gelesen? Na klasse.«
    »Ja, ich habe als junger Mann Krimis verschlungen. Ich habe aus ihnen viel gelernt.«
    Huberkran verzog den Mund, aber Anne Will rief unabsichtlich und für ihre Verhältnisse viel zu begeistert: »Ich auch!«
    »Also, ich weiß Ihren Einsatz sehr wohl zu schätzen, sehe aber nicht, dass uns das weitergebracht hat«, sagte Huberkran streng. Er versuchte damit, die Handlungsführung als SOKO -Leiter zurückzubekommen. Er befürchtete, Ann Kathrin Klaasen könne sie ihm aus der Hand nehmen.
    Weller berichtete, in Delmenhorst mit den Eltern von Judith Harmsen gesprochen zu haben, was aber wenig ertragreich gewesen war. Er musste sich nur Vorwürfe anhören, die Polizei sei untätig und unfähig. Als er ging, schwärzte Herr Harmsen noch den Lebensmittelladen an der Ecke an, dort würde Joghurt über dem Verfallsdatum verkauft und die Polizei müsse da dringend einschreiten.
    Frau Harmsen flüsterte Weller zu, das sei alles gar nicht wahr, ihr Mann vergesse den Joghurt nur überall und wenn er ihn dann wiederfinde, behaupte er, ihn gerade erst gekauft zu haben.
    Aber in der Bibliothek in Ganderkesee hatte die Bibliothekarin Annette Brandenburger Judith Harmsen eindeutig identifiziert. Da die Gesuchte Ganderkesee nicht mit ihrem Auto verlassen
haben konnte, wurde die Gegend mit einer Hundestaffel abgesucht. Vergeblich. Sie sei wie vom Erdboden verschluckt.
    Nun wollte Ann Kathrin die genauen Umstände des Verschwindens der eingemauerten Personen wissen, aber Huberkran musste zu seiner Schande passen.
    Fragen wie: »Wer hat das Verschwinden zuerst bemerkt? Wo haben Sie mit wem die letzten Stunden verbracht?«, konnte er nicht beantworten.
    Er musste sich eingestehen, zu sehr vom Fundort ausgegangen zu sein. Noch von keiner Toten war der letzte Tag wirklich haarklein rekonstruiert worden.
    Ann Kathrin wollte eine Liste von Personen, mit denen die Opfer vor ihrem Verschwinden gesprochen hatten.
    »Wir müssen weit in ihre Vergangenheit zurückgehen. Irgendwo dort liegt das Geheimnis begraben.«
    Weller servierte Sanddornkekse und erneut Espresso. Für Anne Will machte er Espresso macchiato mit einem Milchschaumhäubchen obendrauf.
    Nur Huberkran saß auf dem Sofa. Anne Will und Ann Kathrin in Sesseln. Obwohl noch genug Platz neben Huberkran auf dem Sofa war, setzte Weller sich auf den Teppich vor dem Tisch in den Schneidersitz. So bildeten sie eine Vierergruppe, jeder in etwa dem gleichen Abstand zum anderen. Dadurch, dass Weller mit seiner Espressotasse auf dem Boden saß, wirkte alles locker, zwanglos, aber trotzdem hochkonzentriert.
    Ann Kathrin wollte jetzt von Anne Will der Anderen etwas über ihren Vater hören. Die Andere legte die Beine übereinander und schob den Rock unter ihrem Hintern zurecht. Sie wusste, dass das hier eine sehr persönliche Sache war, also versuchte sie, die Emotionen so weit wie möglich herauszuhalten.
    »Ich habe Ihren Vater im Rahmen eines Forschungsauftrags kennengelernt. Es war eine Arbeit über effizientere Zielfahndung. Ich habe mit ihm und The Brain gesprochen.«
    Huberkran warf ein: »So wurde Beukelzoon genannt. The Brain.«
    »Um es gleich zu Anfang zu sagen, Frau Klaasen, ich unterscheide drei Gruppen von Zielfahndern, die von uns zum Teil im Milieu als professionelle V-Leute angesiedelt wurden. Gruppe A – die Gerechten. Menschen mit hohem Verantwortungsbewusstsein, edlen ethischen und moralischen Motiven, ehrgeizig und

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