Ostseefluch
ging, ein bemerkenswertes Desinteresse an den Tag.
»Wo waren Sie heute Morgen zwischen sieben und neun Uhr?« Pia hatte ihre Stimme erhoben, um zu der vage lächelnden Frau durchzudringen.
»So früh? Im Bett. Ich hatte Schlaf nachzuholen. Heute Nacht bin ich wohl tausend Mal aufgewacht, wegen dieses ... Erlebnisses am Staberhuk.«
»Ist Ihnen noch irgendwas dazu eingefallen? Wer Sie verfolgt haben könnte und warum?«
»Nein, nichts.« Maren Rosinski starrte düster ins Leere.
Bei Pias und Broders’ Ankunft herrschte vor dem Haus auf Mordkuhlen ein regelrechter Tumult. Zwei Streifenwagen, mehrere Zivilfahrzeuge und das Auto mit dem Anhänger, in dem der Hund transportiert worden war, parkten immer noch kreuz und quer in der Zufahrt und dem ungepflegten Vorgarten. Mittendrin standen fünf Personen, die äußerst erregt diskutierten. Hin und wieder kam es sogar zu kleineren Handgreiflichkeiten.
»Sie waren es doch! Sie haben Ihre Finger im Spiel, Aleister, oder wie auch immer Sie heißen!«, rief Irma gerade in schrillem Tonfall.
Juliane stand neben Frank Albrecht. Ihr Gesicht war rot angelaufen, ob vor Hitze, Ärger oder Anstrengung, war schwer auszumachen. Ihr Kollege Conrad Wohlert hielt Irma Seibel am Arm, wohl um sie daran zu hindern, auf den selbst ernannten Geisterbeschwörer loszugehen. Sie ruckte immer wieder ungeduldig, aber Wohlert hielt sie mit stoischer Miene fest. Was, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wohl auch besser war. Arne Klaasen stand mit in die Hüfte gestemmten Händen daneben, die Augen zornig zusammengekniffen.
»Was ist denn hier los?« Pia eilte sofort zu den Streitenden.
»Wir waren bei Herrn Albrecht, um ihn zu befragen«, erklärte Juliane mit erhobener Stimme. Irma Seibel schnaubte verächtlich. »Er wollte unbedingt mit uns herkommen. Er behauptet, rausfinden zu können, wo das Kind steckt. Als Frau Seibel ihn gesehen hat, hat sie sich auf ihn gestürzt.« Juliane sah von Aleister zu Irma Seibel und zurück. »Sollten wir ihn etwa dalassen, auf die Gefahr hin, dass er wirklich was weiß?«
»Natürlich nicht«, sagte Broders, der auch dazugekommen war. »Ist Gabler schon informiert?«
»Der telefoniert.« Wohlert sprach in gedämpftem Tonfall zu Pia und Broders. »Er hat Taucher angefordert, aber die sind noch nicht hier.«
»Gar nichts passiert hier, gar nichts!«, ereiferte sich Irma Seibel. Pia konnte ihre kaum noch kontrollierbare Wut und die Angst, die sich dahinter verbarg, nachvollziehen. Das Warten auf eine Nachricht über den Verbleib ihrer Tochter musste eine Qual für sie sein. Und dann noch mit diesem Aleister und seinen halb garen Sprüchen konfrontiert zu werden ... Die beiden hätten sich besser nicht begegnen sollen. Nicht zu diesem Zeitpunkt.
»Wir vernehmen Herrn Albrecht im Polizeibus. Da sind wir ungestört«, bestimmte Pia. Die Zeit drängte.
»Und währenddessen gehen Sie mit mir zurück ins Haus, Frau Seibel«, hörte sie Conrad Wohlert sagen. Sein Ton war verständnisvoll, aber entschlossen. »Sie kommen auch mit, Herr Klaasen.«
Irma Seibel ließ sich mitziehen, sah jedoch Pia noch einmal direkt in die Augen. »Er steckt hinter allem, Frau Korittki. Er hat Zoe das Amulett untergejubelt. Er hat sie irgendwie beeinflusst. Zur Hölle damit, wie er das angestellt hat, aber er ist schuldig!«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Pia.
Die Luft im VW-Bus war heiß und stickig. Wer immer den Wagen in der Sonne abgestellt hatte, hatte nicht an die Möglichkeit einer Befragung im Innenraum gedacht.
»Ich bin freiwillig hier, ich will nur helfen!«, betonte Aleister, als sie alle mehr schlecht als recht einen Platz am Tisch gefunden hatten. Er schien sich trotz der klebrigen Luft und der allgemeinen Anspannung erstaunlich wohl zu fühlen.
»Dann tun Sie’s!«, sagte Pia. »Was wissen Sie über Zoes Verbleib?«
»So einfach ist das natürlich nicht, Frau Kommissarin.« Er leckte sich über die Lippen, seine Augen wanderten unruhig von ihr zum Fenster und dann zu Juliane. »Dazu muss ich mich erst in die richtige Stimmung versetzen. Wo genau ist das Kind zuletzt gesehen worden?«
»Das können wir Ihnen nicht sagen.«
»Bin ich verdächtig?«
»Wir befragen Sie als Zeugen«, antwortete Juliane. »Noch.«
»Was braucht es denn für die ›richtige Stimmung‹, ich meine, damit Sie uns tatsächlich etwas über Zoe sagen können?«, fragte Pia. Sie spürte, wie Juliane ihr in Gedanken einen Vogel zeigte.
Aleister fixierte sie nun mit seinen
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