Ostseefluch
passt hier doch gar nicht mit rein.« Beim Hochkommen stieß Pia mit dem Kopf gegen eine Schaukel mit runder Holzstange, die wohl für einen Papagei oder Kakadu gedacht gewesen war. »Dieser Mistkerl! In einer Voliere!«, schnaubte sie. »Wie kann man so etwas tun?«
»Er behauptet, er war es nicht«, sagte Gerlach.
»Aber er erwartet nicht, dass wir ihm das glauben?« Pia hielt das Kind an sich gepresst. Zoe war schwer, viel schwerer als Felix. Trotzdem wollte sie sie nicht loslassen.
31. Kapitel
J esko Ebel wählte eine Telefonnummer, die er länger nicht mehr benötigt hatte. Sein ehemaliger Kumpel und Kollege, Helge Bittner, meldete sich schon nach dem ersten Klingeln. Klar, er konnte es sich nicht leisten, etwas zu verpassen. Aktuelle Katastrophen waren für ihn so existenziell wie für Vampire Blut ... Jesko gratulierte sich insgeheim dazu, dass er diesen Zirkus nicht mehr nötig hatte. Er war raus. Was ihm anfangs wie ein Makel vorgekommen war und einen bodenlosen Sturz ins Nichts nach sich gezogen hatte, wurmte ihn längst nicht mehr. Und das Bücherschreiben, eigentlich nur ein Vorwand für etwas anderes, gefiel ihm zunehmend besser, auch wenn er damit bisher keinen Cent verdient hatte.
»Ich hab dein Interview mit dem Geisterjäger gelesen«, sagte Jesko ohne einleitende Phrasen. Er hörte Helge am anderen Ende atmen.
»Ja, und?«
»Hat mir gut gefallen. Besonders die Stelle, an der du ihn zitierst: ›Das große Tier 666 ist mein Vorbild.‹«
»Weswegen rufst du an, Jesko?«, fragte Bittner. »Doch nicht, um mir Blumen zu überreichen.«
»Nein. Aber wir haben nun mal ähnliche Interessen. Ich wollte dir eine Zusammenarbeit vorschlagen.«
»Ich bin gerührt.«
Wenn Helge sich ärgerte oder unsicher war, wurde er gern sarkastisch. »Hör zu. Die aktuellen Ereignisse auf Mordkuhlen interessieren mich nicht. Doch ich war heute zufällig vor Ort und habe Infos zu der Kindesentführung abgegriffen.«
»Zufällig? Wer’s glaubt! Aber eben kam sowieso die Nachricht, dass das Kind wieder aufgetaucht ist«, sagte Bittner kühl.
»Hast du schon mit jemandem darüber gesprochen?«
»Sehr witzig. Die Polizei blockt. Sie haben für morgen um zehn eine Pressekonferenz angesetzt.«
»Das hört sich so gar nicht nach dir an, Helge, dass du untätig rumsitzt und wartest«, provozierte Ebel ihn.
»Untätig? Ich hab heute Vormittag schon mit der zuständigen Kripobeamtin über den Fall Mordkuhlen geplaudert.«
Am anderen Ende der Leitung erlosch Jeskos Grinsen. »Ach, ja?«
»Ich sag dir: blondes Gift.«
»Wie ... hieß sie?«
»Was Polnisches: Kowalski, Koritzki ... Ich hab es mir irgendwo notiert.«
»Ist ja auch egal.« Jesko bemühte sich, beiläufig zu klingen. »Worüber habt ihr denn geplaudert?«
»Wir arbeiten nicht mehr zusammen, Jesko. Schon vergessen?«
»Ich will keine Story klauen. Ich will wissen, ob ihr über mich geredet habt.« Das Schweigen, das ihm antwortete, war mehr als aussagekräftig. »Was hast du über mich gesagt?«
»Nichts Besonderes. Du bindest dein seltsames Romanprojekt doch selbst jedem unter die Nase, der nichts davon hören will.«
Jesko presste den Zeigefinger auf die Nasenwurzel. Eis-Kopfschmerz, wie nach dem Verschlingen von einem Eimer »Choc Choc Chip«-Eiscreme direkt aus dem Gefrierfach. Das Druckgefühl im Kopf trat in letzter Zeit häufiger auf. Beunruhigenderweise immer dann, wenn er an sie dachte. »Hast du ihr etwa von Nina erzählt?«, fragte er drohend.
»Kann schon sein, dass ich sie erwähnt habe.«
»Weiß die Polizei, was mit Nina los ist?«
»Die Polizei, die Polizei! Mach mal halblang, Jesko. Die Frau war allein. Sie hat unser Gespräch nicht mal aufgezeichnet«, wich Helge seiner Frage aus. »Weiß diese Polizistin es? Hast du es ihr gesagt?«
»Was? Wieso ... wieso sollte ich?«, entgegnete Helge. Er hatte. Sein harmloser Tonfall konnte Jesko nicht täuschen. Er unterbrach die Verbindung.
»So richtig verstehe ich es nicht.« Pia saß auf dem Beifahrersitz neben Broders. Zoe war mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden. Ihre Mutter und Arne Klaasen befanden sich auf dem Weg zu ihr. Der Notarzt hatte gemeint, dass das Mädchen wahrscheinlich mit einem Schlafmittel ruhiggestellt worden war. Ansonsten schien Zoe körperlich unversehrt zu sein. Nie würde Pia Irma Seibels erleichterten Ausruf am Telefon vergessen, als sie erfahren hatte, dass es ihrer Tochter gut ging.
»Was verstehst du nicht?«
»Warum Rudolf Ingwers das
Weitere Kostenlose Bücher