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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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getan hat. Was war denn sein Motiv? Es ist doch der reinste Wahnsinn gewesen.«
    »Vielleicht ist das das Motiv: Wahnsinn. Es sieht doch so aus, als wäre er nicht bloß Zoes Entführer, sondern auch der Mörder seiner Tochter.«
    »Das wissen wir noch nicht.« Pia fröstelte. Jetzt, da die Anspannung nachließ, merkte sie erst, dass sie bei dem Einsatz am Gewächshaus ziemlich nass geworden war.
    »Es passt alles. Der Typ hält sich für oberschlau, er meint, er hat alles unter Kontrolle, und dann ...«, Broders drückte das Gaspedal durch, »rastet er aus und bringt seine Tochter um.«
    »Aber warum hat er seine Tochter ermordet? Wegen ihrer offen zur Schau gestellten Rebellion? Der gegensätzlichen Lebensauffassung? Selbst einem Mann wie Ingwers muss doch klar sein, dass das alles ziemlich normal ist.«
    »Es wird im Affekt passiert sein. Ich tippe auf einen bösen Streit. In der Vormittagshitze im Gemüsegarten. Er hat irgendwann rotgesehen und zugeschlagen, mit dem, was gerade da herumlag.«
    »Und dann hat er versucht, den Mord zu vertuschen? Hm, meinetwegen. Aber seine Frau ist ebenfalls bedroht worden, und das war Ingwers definitiv nicht. Sie hätte ihn erkannt. Und dann die zwei Anschläge auf seine Geliebte.«
    »Hältst du seine Frau für glaubwürdig?«, fragte Broders. »Seine Geliebte schon eher, nicht wahr? Wir hätten stutzig werden müssen, als wir erfuhren, dass Ingwers derjenige war, der die Rosinski nach dem ersten Anschlag im Garten gefunden hat. Damit hat er sich doch ebenfalls verdächtig gemacht.«
    »Aber warum sollte er alle Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielen, umbringen wollen?«
    »Mit dieser Frage sollen sich andere befassen. Wir liefern nur die Beweise, Pia.«
    »Er hat gesagt, er war es nicht«, beharrte sie.
    »Behaupten sie das nicht alle, wenn wir sie erwischen?«
    »Und was hatte er deiner Meinung nach mit Zoe vor? Wo soll da der Sinn sein?«
    »Wie wäre es mit ein bisschen Küchenpsychologie? Ingwers bereut den Mord an seiner Tochter. Zutiefst. Er will es ungeschehen machen. Vielleicht sieht er Zoe zufällig am Morgen auf der Straße, und sie erinnert ihn ganz stark an Milena, als sie in dem Alter war ...«
    »Beide hatten rotes Haar«, warf Pia ein. Bei dem Wort »Haar« beschlich sie mit einem Mal ein ungutes Gefühl. Ein Erinnerungsfetzen, eine Kleinigkeit nur, die aber so gar nicht zu der Theorie passte, die sie gerade erörterten. Sie kam nicht darauf, sosehr sie sich auch bemühte. Was war es gewesen?
    »Ich dachte, das Opfer wäre schwarzhaarig gewesen«, sagte Broders verwundert. »Auch egal. Er schnappt sich also Zoe in der irren Hoffnung, mit ihr noch mal von vorn anfangen zu können. Vielleicht möchte er eine Art Wiedergutmachung leisten. Als sein Verstand wieder einsetzt, fragt er sich, was er mit dem Kind anfangen soll. Außerdem muss er sich langsam in seinem Geschäft blicken lassen. Er überlegt, wo er Zoe solange verstecken kann, und ihm fällt die stillgelegte Gärtnerei ein. Die Voliere ... Er betäubt Zoe, vielleicht weil sie es mit der Angst zu tun bekommen und zu weinen angefangen hat ...«
    »Allein für die Idee mit dem Vogelkäfig könnte ich ihn würgen«, stieß Pia hervor. Sie wusste immer noch nicht, was sie so sehr an der Theorie störte.
    »Du setzt seltsame Prioritäten, Pia.«
    »Meine erste Priorität ist jetzt, Felix abzuholen«, sagte sie. »Den Rest müssen heute andere erledigen.«
    Broders nickte. Einer der seltenen Momente vollkommenen Einverständnisses. »Bevor Ingwers’ Anwalt aufkreuzt, passiert sowieso nichts«, sagte er. »Rudolf Ingwers übernachtet heute auf Staatskosten. Ich nehme mal an, dass es erst morgen richtig weitergeht.«
    Pia sah auf die Uhr. Es war noch gar nicht so spät, wie sie gedacht hatte. Kurz nach halb acht.
    Hauke Andersen stutzte, als er den braunen, gefütterten Umschlag sah, der aus seinem Briefkasten ragte. Komisch, die Post für heute war schon am Vormittag gekommen. Jemand musste den Umschlag nachträglich eingesteckt haben. Er war so dick, dass er nicht durch den Briefschlitz gepasst hatte. Andersen zog ihn heraus. Nur sein Name stand darauf, keine Adresse, kein Absender. Und dann noch: persönlich und Achtung, eilt! Was sollte das? Er hatte nichts verliehen und nichts bestellt.
    Hauke Andersen ertastete unter dem gepolsterten Papier einen harten, flachen, rechteckigen Gegenstand. Nachdem er sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank genommen und den Rest des Auflaufs vom Mittagessen in die

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