Ostseefluch
hatte. »In diesem Haus wird es einfach nie langweilig«, meinte sie. »Und die Tür musste sowieso mal ersetzt werden.«
»Das war doch nur eine Papptür«, sagte Lars und grinste.
Susanne warf ihm einen kritischen Blick zu. Pia lächelte in sich hinein. Lars rieb sich den Knöchel. Eine Tür von besserer Qualität hätte er nicht eintreten können, dachte sie. Sie hatte da so ihre Erfahrungen, hütete sich aber, das zu sagen.
Als die Tür aufgeflogen war, war Jesko Ebel über den Balkon geflüchtet. Anscheinend hatte Pia ihn zumindest so hart erwischt, dass er bei seiner Kletterpartie nach unten den Halt verloren hatte und auf Susannes Terrasse auf einen Blumenkübel aus Terrakotta gefallen war. Wie es aussah, hatte er sich dabei die Hüfte gebrochen. Pias Mitleid hielt sich in Grenzen. Die eintreffenden Einsatzkräfte hatten Ebel nur noch einsammeln müssen.
»Dann hatten wir mit Ingwers also doch den falschen Mann«, sagte Broders, der mit einiger Verspätung auch noch in Pias Wohnung erschienen war. Inzwischen war es kurz vor elf. Die anderen Beamten waren schon wieder abgezogen, während er, wohl um nichts zu verpassen, noch in der Küche saß und Kaffee trank.
»Er hat Zoe entführt«, entgegnete Pia. »Ich bin sehr froh, dass er die Nacht in einer Zelle verbringt.«
Heinz Broders schüttelte den Kopf. »Inzwischen sieht es so aus, als wäre seine Frau das gewesen. Komplizierte Geschichte.« Er leerte den Becher in einem Zug. Dann sah er von Lars zu Pia. »Aber morgen ist auch noch ein Tag«, setzte er hinzu und erhob sich von Pias letztem heilen Stuhl. Die Sitzmöglichkeiten waren knapp geworden.
Pia und Lars saßen auf der Küchenbank. Er hatte seinen angeschlagenen Fuß auf den Sitz von Felix’ Kinderstühlchen gelegt und kühlte den Knöchel mit einer Gel-Kompresse. Die hatte Pia stets gebrauchsfähig parat, seit sie Mutter geworden war. Immerhin. Dass ihr Sohn den Tumult verschlafen hatte, grenzte an ein Wunder.
»Ich weiß ja nicht ...«, sagte Lars, nachdem Pia ihren Kollegen Broders hinausbegleitet hatte. »Das ist nicht meine Welt.«
»Was? Die Polizei?« Der alte leidige Konflikt.
Er schüttelte den Kopf. »Rohe Gewalt. Hammermörder und so.«
»Eine Hacke ... Er hat es vermutlich mit einer Gartenhacke getan. Und überhaupt: Du bist derjenige, der mit roher Gewalt meine Wohnung demoliert hat.«
»Keine Spur von Dankbarkeit?«
»Vielleicht eine winzige.«
»Das glaube ich dir nicht.«
Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn sanft auf die Lippen.
»Hmmm. Na gut. Da war ein kleines bisschen Dankbarkeit zu spüren.« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. »War da vielleicht noch etwas anderes, außer Dankbarkeit?«
»Als ich dich angerufen habe, hatte ich jedenfalls schon vor, mir von dir das Leben retten zu lassen.« Sie küsste ihn wieder und ließ ihre Hand unter sein T-Shirt gleiten. »Es ging aber um Lebensrettung auf einer ganz anderen Ebene.«
Er zuckte. »Hey, was tust du da? Ich bin vollkommen wehrlos. Mein Knöchel ist demoliert. Ich kann nicht weglaufen.«
»Selbst schuld, wenn du es nicht abwarten kannst, bis ich dir die Tür öffne.«
Er sah ihr in die Augen. »Ein Schlüssel könnte nützlich sein.«
»Wir ... Sind wir schon so weit?«
»Das müssen wir ausprobieren.«
Ihr Bauch sagte: ja-ja-ja. Das genügte für den Moment. Ihre Hand glitt tiefer. »Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht: Es gibt in dieser Wohnung einen bequemeren Platz als die Küchenbank und den Kinderstuhl«, flüsterte sie.
»Aber wenn ich aufstehe, nimmst du deine Hand weg, oder?«
»Nicht zwangsläufig.«
33. Kapitel
A uch wenn sie nach dem neuesten Erkenntnisstand mit Jesko Ebel den Täter im Mordfall Milena Ingwers gefunden hatten – ein Großteil der Ermittlungsarbeit begann erst jetzt. Die Akte musste vervollständigt, die Beweise mussten gesichtet, gesichert und geordnet und für die Verhandlung aufbereitet werden.
Die Vernehmungen von Rudolf Ingwers werden sicher mühsam werden, dachte Pia. Nachdem sie ihn wieder auf freien Fuß hatten setzen müssen, hatte er reichlich Oberwasser bekommen. Aber der weitere Verlauf der Ermittlungen würde auch für ihn kein Spaziergang werden. So ungewöhnlich und grausam Jesko Ebels Rache auch gewesen war, er hatte ein Motiv für seine Taten. Und das war, so kristallisierte es sich mehr und mehr heraus, mit Ingwers’ illegalen Machenschaften in seinem Betrieb verknüpft. Die Ereignisse dort hatten diese Lawine der Gewalt
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