Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
Vom Netzwerk:
ihre entsprechend lichtempfindliche Haut war von Muttermalen übersät. Aber über Hautkrebs musste sie sich wohl keine Sorgen mehr machen, was Pia an die langärmeligen T-Shirts erinnerte, die sie noch für Felix waschen musste. Er befand sich heute in der Obhut eines Babysitters, eines Studenten, der zum Glück noch so kurzfristig abkömmlich gewesen war. Anton studierte Bauingenieurwesen. Fiona hatte ihn ihr empfohlen, als Pia vor ein paar Wochen wegen einer späten Zeugenvernehmung in Schwierigkeiten geraten war.
    Dr. Kinneberg begann damit, seine Befunde zu diktieren, und Pia zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf die Untersuchung zu richten. Der Rechtsmediziner sprach die einleitenden Sätze in das Mikrofon des Diktiergerätes. »Milena Ingwers, achtzehn Jahre alt, ein Meter achtundsechzig groß, neunundfünfzig Kilogramm schwer. Augenfarbe ... Moment, grau? Das ist selten. Ja, grau ... Haarfarbe rotblond, das Kopfhaar schwarz gefärbt.«
    Der Assistent entkleidete die Leiche und bereitete die wenigen Kleidungsstücke für die Untersuchung im Labor vor.
    Kinneberg begann mit der äußerlichen Leichenschau. Er sprach dabei unentwegt, abwechselnd an Pia und ihren Kollegen gerichtet, und dann wieder in das Mikrofon. »Am Körper keine sichtbaren Anzeichen äußerlicher Gewaltanwendung. Keine Blutergüsse, keine Schwellungen, Hautverletzungen oder Ähnliches.«
    »Was ist das an den Unterarmen?«, fragte Pia. Die narbige, glänzende Haut an der Innenseite des linken Arms war ihr am Vortag nicht aufgefallen. Wahrscheinlich, weil die Frau auf dem Bauch gelegen hatte und die Innenseite ihrer Unterarme nicht sichtbar gewesen war.
    »Die Verletzungen sind schon älter«, sagte Kinneberg und beugte sich über das vernarbte Gewebe.
    »Eine alte Brandwunde?«, fragte Rist. »Vielleicht hat sie sich mal mit heißem Wasser verbrüht.«
    »Kaum«, sagte Dr. Kinneberg. »Man sieht das in dieser Ausprägung eher selten. Aber für mich sehen diese Narben aus wie die von Schnittverletzungen, wenn Jugendliche schnippeln.«
    »Sie hat das ...?«
    »... sich selbst zugefügt, ja. So sieht es aus.« Kinneberg nickte.
    Rist warf dem Mediziner einen zweifelnden Blick zu.
    »Es gibt Jugendliche, die sprühen sich Haarspray auf die Haut und zünden es dann an«, sagte Pia. Ein früherer Fall hatte sie schon mal mit der Problematik des selbstverletzenden Verhaltens konfrontiert. Blieb die Frage, was in Jugendlichen vorging, die sich derart quälten.
    Dr. Kinneberg drehte die Leiche mit der Hilfe seines Assistenten auf den Bauch. Nachdem er den Körper auch von der Rückseite begutachtet und verschiedene Ergebnisse festgehalten hatte, wandte er sich dem Hinterkopf der Toten zu. »Hier haben wir doch mal was Interessantes.« Er hob ein wenig die Stimme. »Offener Schädelbruch durch äußere Gewalteinwirkung mit einem scharfkantigen Gegenstand. Ein penetrierendes Schädel-Hirn-Trauma. Sehen Sie hier, die Risse in der Dura sind gut zu erkennen. Die Wundränder scheinen mir allerdings leicht beschädigt und verunreinigt zu sein.«
    »Beschädigt?«
    »Tierfraß. Lochartige und stichähnliche Defekte, beispielsweise durch die Schnäbel von Vögeln verursacht. In diesem Fall tippe ich auf Möwen.« Enno Kinneberg griff nach einer Pinzette und hob eine winzige hellgraue Feder in die Luft. »Möwen sind Allesfresser, es liegt in ihrer Natur. Sie haben in der Wunde gepickt, doch es war wohl nicht nach ihrem Geschmack. Könnte schlimmer sein.«
    »Aber die Todesursache ist ein Schädel-Hirn-Trauma, verursacht durch Schläge auf den Kopf?«, fragte Pia, um sich von dem Gedanken an Tierfraß abzulenken.
    »Diese Art von äußerer Gewalteinwirkung ist in jedem Fall tödlich. Wenn wir uns nachher das Gehirn und den Schädelknochen genauer ansehen, wissen wir mehr.« Dr. Kinneberg sprach seinen Befund wieder in das Mikrofon. Dann wandte er sich vom Mikro ab und sah Pia an. »Habt ihr die Waffe schon gefunden?«
    »Bisher nicht.«
    »Bei der Verwendung von scharfkantigen Schlagwerkzeugen ist es gut möglich, dass die Loch- oder Impressionsfrakturen die Form des Werkzeugs recht deutlich wiedergeben. Wir werden die Kalotte auf jeden Fall asservieren. Vorab und ganz unter uns würde ich euch raten, nach einer Hacke, einem Spaten oder etwas Ähnlichem zu suchen.« Er ließ den Blick noch einmal über die Tote wandern. »Keine Abwehrverletzungen, wie man bei einem solchen Angriff eigentlich erwarten sollte«, diktierte er dann. »Wahrscheinlich kam der erste

Weitere Kostenlose Bücher