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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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verpassen würden! So konnten sie hinterher nicht gemeinsam darüber lachen.
    Um kurz vor zwölf setzten sie sich zu viert um den runden Tisch, und Aleister schloss demonstrativ die Augen. Vor ihnen lag ein »Ouija-« oder »Hexenbrett«, wie sie es nannten. Ein Holzbrett, das mit Zahlen von null bis neun, den Buchstaben des Alphabets und den Worten Ja und Nein bemalt war. Darauf stand, mit der Öffnung nach unten, ein Schnapsglas. Die drei hatten alle Accessoires für die Séance mitgebracht. Klar, dann können sie leichter manipulieren, dachte Irma.
    Auf Aleisters Aufforderung hin legten sie nun alle die Fingerkuppen ihres rechten Mittelfingers auf den Glasboden des Schnapsglases und sollten nun ebenfalls die Augen schließen.
    Irma tat sich schwer damit. Es war der Kontrollverlust, gegen den sie sich sträubte. Sie kämpfte mit sich, ob sie blinzeln sollte, aber sie fürchtete, dabei erwischt zu werden. Inzwischen war sie so neugierig, dass sie keinesfalls auf die Teilnahme an der Séance verzichten wollte.
    »Wir haben uns hier zusammengesetzt, um Kontakt aufzunehmen mit dem Zwischenreich. Wir rufen höflichst und ehrerbietig die Geisterwelt an. Ist ein Geistwesen hier?«
    Irma fand die Einleitung profan. Hatte der Kerl nicht mal genug Fantasie, ein paar geheimnisvolle Sprüche aufzusagen? Arne hatte recht gehabt. Auf was hatte sie sich da eingelassen? Kinderkram. Selbst Zoe würde dieses Laienschauspiel durchschauen. Irma hörte Aleister atmen, und die Frau zu ihrer Linken rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Die Minuten tröpfelten zäh dahin.
    »Es kann dauern«, wisperte die andere Frau. »Sollen wir zusammen?«
    »Wir rufen dich, großer Geist«, deklamierte Aleister.
    »Wir rufen dich, großer Geist«, erklang es nun im Chor. Nach einer Weile fiel Irma mit ein und fand eine seltsame Befriedigung beim Hersagen der Beschwörungsformel. Die Techniken der Manipulation waren doch überall gleich.
    Als das Glas unter ihrem Finger ruckte, hätte sie beinahe aufgeschrien. Sie hatte vermutet, dass die anderen, allen voran ihr Medium Aleister, das Glas bewegen würden, aber das Zucken war stärker, als sie vermutet hatte. Nun fühlte es sich tatsächlich so an, als setzte es sich von selbst in Bewegung. Wie von Geisterhand – der Hand eines ungeduldigen, überaus kräftigen Geistes. Wie machten die das?
    »Wir grüßen dich, großer Geist. Willst du uns etwas mitteilen?«
    Das Glas ruckte. Schließlich blieb es stehen.
    »Heißt das: ja?«, hakte die Frau auf Irmas linker Seite nach.
    Irma blinzelte. Es stand zwischen Ja und A .
    »Wie ist dein Name?«, fragte Aleister.
    Wieder ein Rucken.
    Langsam fand Irma Gefallen an der Prozedur. Es war tatsächlich unterhaltsam. Aber auch ein wenig unheimlich.
    Es dauerte, bis der Geist seinen Namen buchstabiert hatte, und der war dann keine Überraschung: BOLT
    » Hast du mal hier gewohnt?«
    Ja
    » Bist du hier gestorben?«
    Ja
    » Woran bist du gestorben?«
    Das Glas pendelte zwischen Nein und den Buchstaben S und E hin und her. Dann folgte L B und Nein .
    »Was willst du uns damit mitteilen?«, fragte Aleister.
    Irma wartete, doch das Glas bewegte sich nicht mehr. Warum auch? Ein Geist sollte doch erwarten dürfen, dass ihm Fragen gestellt wurden, die er mit Ja oder Nein beantworten konnte. Es wurde still. Nichts als Aleisters Atemgeräusch war mehr zu hören. Irma wollte gerade etwas sagen, um die Spannung aufzulösen, als sie einen Luftzug im Nacken spürte. War noch jemand im Raum? Die Tür war von innen verschlossen, und auch durch die Fenster konnte niemand hereingekommen sein, aber vielleicht war ja schon vor der Séance ein Helfer Aleisters im Zimmer gewesen. Doch wo sollte er sich versteckt haben? Das war ein Trick, ein verdammter Trick!
    Sie hätte sich jetzt gern im Raum umgeschaut, doch Aleister hatte ihr vorher das Versprechen abgenommen, die Séance keinesfalls zu unterbrechen oder zu stören.
    Irma schielte zu Aleister hinüber. Er saß mit verzerrtem Gesicht auf seinem Stuhl. In seinem Mundwinkel glänzte Spucke im Kerzenschein. Bevor sie fragen konnte, ob er vielleicht Hilfe brauche, begann das Glas wieder zu rucken. Sie beobachtete, wie es von M über O zu E und dann zu R und schließlich zu D glitt.
    »Nein«, stöhnte Aleister. »Wer bist du?« Und dann mit veränderter, viel zu hoher Stimme: »Ich bin wütend!«
    »Das ist jetzt ein anderer Geist«, flüsterte die Frau zu Irmas Linken. Und lauter: »Wer bist du?«
    »Mi-leee ...«
    Es klang

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