Ostseegrab
Pelle erschlagen haben könnte, kam ihr fast absurder vor, als ihn der Frauenmorde zu verdächtigen. Und dann noch diese schrecklichen Blumen. Sie hätte schwören können, dass Felix ihr einen Schock versetzen wollte. Er hatte irgendwie erfahren, dass sie eine Fehlgeburt gehabt hatte. Und er wollte sie mit der Erinnerung quälen. Aber Felix würde ihren Hund nicht umbringen. Das Trauergesteck musste mit den Morden zusammenhängen. Es war eine Warnung an sie. Stefan hatte wahrscheinlich recht. Sie war dem Mörder zu nahe gekommen. Aber warum stand dann Sophie auf der Schleife? Eigentlich standen doch die Namen der Trauernden drauf und nicht der des Toten. Hatte Pelles Mörder mit dem Kranz ankündigen wollen, dass der Hund sterben musste? Pelle tat doch keiner Fliege was zuleide. Er hatte noch niemanden gebissen. Er bellte nur, wenn er es mit der Angst zu tun bekam. Warum der gute liebe Pelle? Plötzlich lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Natürlich! Weil er störte. Weil er bellte. Weil er immer bei ihr war. Sie schlug die Arme fest um ihren Körper. Ihr war plötzlich schrecklich kalt. Hatte der Mörder sie als nächstes Opfer ausgewählt?
Ben rannte den Strand entlang. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Mit seinen Gedanken war er längst bei Sophie. Er konnte so gut nachfühlen, wie es ihr ging und ihm war fast übel. Jetzt hatte sie das Liebste verloren. Wollte Sophie ihn sehen? Er hatte Angst, als er durch den alten Obstgarten auf das Haus zuging. Da lag sie und rührte sich nicht. Sie starrte in die Ferne und sah aus, als sei sie mit Pelle gestorben. Leise ging Ben auf ihren Liegestuhl zu. Als er neben ihr stand, hatte sie ihn noch immer nicht bemerkt. »Sophie?«, flüsterte Ben zärtlich. »Es tut mir so leid.«
Sophie sah erschrocken auf. Dann sah sie ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an. »Was genau?«, fragte sie bitter.
Ben hockte sich neben sie. »Das mit Pelle.«
»Woher weißt du das?«
»Tina hat Hanjo angerufen.« Sie schwieg und starrte stur geradeaus. »Was ist denn passiert?«, fragte er.
Sie sah ihn noch immer nicht an. »Jemand hat ihn erschlagen. Er ist Brei. Stefan musste ihn in Stücken in einen Müllbeutel stecken, damit wir ihn beerdigen können.«
Sophie sagte das kalt und bellend. So wie sie gerade war, war sie ihm fremd und Ben traute sich nicht, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Plötzlich sah sie ihn an.
»Was hast du denn gestern Nacht gemacht?«
Ben stand erschrocken auf. »Du glaubst doch nicht im Ernst ...«
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß aber, dass du jede Menge verheimlichst.«
»Du meinst die Sache mit Jo?«
»Wer ist Jo?«
»Sie war meine Zwillingsschwester.«
»Ja, das wäre schon mal eine Geschichte, die ich gerne hören würde.« Sophie funkelte ihn böse an. »Ist ertrunken die Kleine, nicht? Und du warst dabei, oder? Hast du sie unter Wasser gedrückt?«
Ben konnte kaum glauben, dass sie so mit ihm sprach. Er starrte sie entsetzt an.
»Und? Ist deine Thai wirklich durch den Tsunami ums Leben gekommen oder bist du auf den Geschmack gekommen?«
Bens Herz setzte für ein paar Sekunden aus. Er hätte sie auf der Stelle erschlagen können, nur damit sie ihr grausames Maul hielt. Er versuchte, ruhig zu bleiben. Sie schien gar nicht zu merken, wie sehr sie ihn verletzte.
»Das ist jetzt genug. Ich bin hier, weil ich dich trösten wollte. Ich weiß, dass der Hund dein Ein und Alles war.«
»Pelle! Er heißt Pelle!« Endlich fing Sophie an zu weinen und der verzerrte grausame Gesichtsausdruck verschwand. »Warum nennst du ihn nicht bei seinem Namen?«
Ben nahm sie endlich in den Arm. Er hatte Angst, das Falsche zu tun, doch er wusste nicht weiter. Sie erstarrte. »Sophie, Liebes. Ich erzähl dir alles, aber bitte hör damit auf.« Sophie schniefte und löste sich aus der einseitigen Umarmung. Endlich sah sie ihn an. Er begann zu erzählen: »Wir waren drei Jahre alt. Jo und ich. Wir waren ein wildes kleines Zwillingspärchen und wir machten alles zusammen. Am liebsten machten wir uns dreckig. Darum wurden wir fast jeden Abend gemeinsam in die Wanne gesteckt.« Sophie hatte aufgehört zu weinen und hörte aufmerksam zu. »So war es auch an jenem Abend. Wir saßen uns gegenüber. Ich saß immer auf der Seite mit dem Stöpsel, weil sie Angst hatte, sie könnte durch den Abfluss fallen. Aber dann ... Verdammt, ich musste mal. Ich hatte Durchfall und Magenkrämpfe. Das kam so plötzlich, dass ich Mama
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