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Ostseegrab

Ostseegrab

Titel: Ostseegrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Clausen
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nicht Bescheid sagen konnte. Ich rannte schnell raus und über den Flur zur Toilette.« Ben machte eine kurze Pause und atmete tief durch. »Sie muss ausgerutscht sein. Als ich zurück ins Badezimmer kam, lag sie unter Wasser. Die Augen waren auf und ich dachte, sie will mich nur ärgern. Als ich sie rüttelte, bewegte sie sich nicht. Da bekam ich Angst und dann habe ich Mami gerufen.« Jetzt konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Unaufhörlich liefen sie ihm über das Gesicht.
    »Mein Gott!«, hörte er Sophie leise sagen.
    »Ich bin 10 Minuten älter und der Junge. Ich habe immer auf sie aufgepasst. Ich fühlte mich immer für sie verantwortlich.« Ben hatte die Augen geschlossen, doch er konnte hören, dass sie sich aufsetzte. In der nächsten Sekunde spürte er ihre Arme, die seinen Oberkörper umschlossen.
    »Sie war tot?«
    Ben holte tief Luft. »Ja«, flüsterte er gepresst. »Ich werde ihr Gesicht nie vergessen.«
     
    Sophie hielt Ben ganz fest. Wie grausam musste es für einen kleinen Jungen sein, so etwas mitzuerleben. Kinder fühlten sich doch immer schuldig. Und Bens Eltern? Sie mussten vor Trauer fast wahnsinnig gewesen sein. Hatten sie noch genug Kraft gehabt, sich um den kleinen Jungen zu kümmern? »Ben, es ist vorbei! Du warst ein Kind. Die Verantwortung lag doch nicht bei dir. Was haben sich deine Eltern nur dabei gedacht? Sie hätten euch nie unbeobachtet lassen dürfen. Sorry, dass ich so ekelhaft zu dir war. Ich stehe wirklich total neben mir. Auch wenn Pelle nur ein Hund war, ich habe ihn so lieb gehabt. Er war alles für mich. Er war mein bester Freund. Ich konnte mich bei ihm ausheulen ... er war mein Baby.«
    Ben schluckte und wischte sich über das Gesicht. »Ich weiß. Und der Kerl war lustig. Er sah so stark aus und trotzdem, na ja, er war ein Trampel.«
    »Ein Trampel?«
    Ben sah sie erschrocken an. Sophie musste tatsächlich grinsen. »Du hast Pelle nur ein paar Tage gekannt, aber perfekt beschrieben. Er war ein Trampel, aber genau das machte ihn so liebenswert.« Sie schwieg ein paar Sekunden. »Ich glaube, du solltest jetzt besser gehen. Ich weiß nicht, wann Stefan zurückkommt. Tina kriegt bestimmt Schwierigkeiten, wenn er dich hier findet.«
    Ben nickte zustimmend. »Sehe ich dich?«
    »Ich komm zu dir.«
    Ben streichelte ihre Wange und verschwand. Sophie lehnte sich zurück und weinte. Sie weinte um Jo und um Pelle. Und sie weinte um Sandra, Sarah und Clara. Dann weinte sie um ihr verlorenes Kind.
    »Sophie?«
    Sie öffnete die Augen und schniefte. Stefan stand vor ihr. In der Hand hatte er zwei volle Cognacschwenker. Sie musste über eine Stunde geheult haben. Sophie schluckte und bemühte sich, ein bisschen freundlich auszusehen. »Bist du eigentlich sehr sauer?«
    »Sauer?« Stefan sah sie erstaunt an.
    »Na, durch mich haben die Kinder ein echtes Scheiß-erlebnis. Sie haben Pelle so gern gehabt. Es war wohl ein Fehler hierherzukommen.«
    Stefan sah sie an. In seinem Gesicht war keine Wut. »Weißt du, Sophie, ich kann dich in diesem Punkt beruhigen. Antonia und Paul streiten sich in genau diesem Moment darüber, welchen Hund du dir als Nächstes zulegen solltest und wie er dann heißen soll. Paul ist für einen Bernhardiner namens Paul und Antonia möchte dir eine Zwergpudeldame vorschlagen. Ihr Name müsste dann Barbie sein.«
    Sophie sah ihn ungläubig an. »Du machst Witze.«
    »Hier, nimm und trink! Gesünder als Valium.«
    Stefan reiche ihr den Cognac und setzte sich an das Fußende, dorthin, wo Ben gesessen hatte. Sophie trank einen Schluck und der Drink fühlte sich warm und gut an.
    »Ich muss trotzdem was Unangenehmes mit dir besprechen«, fuhr Stefan fort. »Pelle. Wir können ihn bei den Temperaturen nicht länger in der Garage lassen.«
    »Nein. Natürlich nicht. Ich ...«
    »Bist du damit einverstanden, wenn ich ihn da hinten unter der Kastanie begrabe, wenn die Kinder im Bett sind? Du kannst sicher sein, dass Antonia und Paul ihm immer Blumen und Knochen bringen werden.«
    Sophie konnte nicht anders, sie musste lächeln. »Sie werden den toten Pelle noch überfüttern. Ach, ich wäre dir sehr dankbar. Ich wüsste dann immer, wo er liegt und er hat euren Garten so geliebt. Ich könnte sein Grab besuchen.«
    Stefan nickte ernst. »Dann versuch, dich zu erholen. Soweit ich mittlerweile weiß, gab es in letzter Zeit einiges, was du zu verarbeiten hast. Du musst wieder zu Kräften kommen. Und lass das Schnüffeln! Ich habe nämlich keine Lust, sonst dein Grab

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