Ostseegrab
aufdringlichen Verkäufer am Strand, das warme Bier, die Regenzeit und die Hitze in manchen Nächten. Wie oft hatte er gejammert, wenn er in seinem kleinen Bungalow ohne Klimaanlage nicht schlafen konnte und sein Bettlaken schweißnass war? Manchmal hatte er sich dann nach kalten Wintern und dicken Daunendecken gesehnt. Doch dieser Wunsch hatte nie lange angehalten. Spätestens am nächsten Morgen hatte er gewusst, dass es keinen schöneren Platz geben konnte. Er war damals glücklich, auch wenn seine Lebensweise sehr einfach war. Seine Behausung war spartanisch. Ein einfacher Holzbungalow mit wenigen Möbeln. Außer einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl und einem kleinen Kühlschrank besaß er nichts. Doch er hatte seine Hütte geliebt und sie mit bunten Sarongs und Kerzen zu seinem Heim gemacht. In der kleinen Surfschule hatte er zwar nicht viel Geld verdient, doch irgendwie hatte es immer gereicht. Zwischendurch hatte er Privatstunden gegeben. Die Touristinnen hatten sich ihm regelrecht an den Hals geworfen. Er hatte selten eine Nacht allein verbracht. Er konnte sich unmöglich an Namen oder Gesichter erinnern. Sicher waren alle sehr süß gewesen, doch er hatte sich nie verliebt. Er war immer fair gewesen und hatte keiner Hoffnungen gemacht. Für ihn stand fest, dass er sich aus irgendeinem Grund nicht verlieben konnte. Bis zu diesem besonderen Moment, als er Lamai zum ersten Mal gesehen hatte. Er war eines Abends zum Essen in ein Strandrestaurant gegangen. Dieses bezaubernde Mädchen war an seinen Tisch gekommen, um seine Bestellung aufzunehmen. Er hatte auf Thai bestellt. Grünes Curry mit Huhn. Mühsam hatte er den auswendig gelernten Satz herausbekommen. Lamai hatte angefangen zu lachen. Nicht böse, sondern zauberhaft. Er hatte sie verzweifelt angesehen und dann mitgelacht. Nachdem er seine Bestellung ein paar Mal in verschiedenen Betonungen wiederholt hatte, hatte sie lächelnd genickt und ihm kurze Zeit später das gewünschte Gericht gebracht. Nach dem Essen hatte Lamai ihm erzählt, dass sie mit ihren Kolleginnen später noch auf ein Glas in einer Strandbar namens ›Coconuts‹ verabredet war. Er hatte sie fragend angesehen. Sie hatte mit den Schultern gezuckt und gelächelt. Natürlich war er auch dorthin gegangen. Von da an hatte er sie jeden Abend von der Arbeit abgeholt. Er hatte sie in verschiedene Restaurants eingeladen oder einfach nur zum Picknick am Strand. Er hatte nur noch den Wunsch, jede freie Minute bei ihr zu sein. Irgendwann hatten sie sich zum ersten Mal geküsst. Er hatte sich gefühlt, wie ein Teenager und die ganze Nacht nicht schlafen können. Er war nie zuvor so glücklich gewesen. Und dann kam der Tag, der ihm sein Glück nahm. Am Vorabend hatten sie zusammen am Bang Tao Beach Weihnachten gefeiert. Lamai war zwar Buddhistin, doch sie hatte darauf bestanden. Er hatte ihr einen Ring geschenkt, den er für sie hatte anfertigen lassen. Ein schlichtes Stück mit einem Tigerauge. Der Stein sollte sie beschützen, wenn er nicht bei ihr sein konnte. Am nächsten Morgen war Lamai an den Kamala Beach gefahren, um sich mit einer Freundin zu treffen. Es war der zweite Weihnachtstag und er hatte frei. Er hatte gerade seinen Bungalow verlassen, um in einem Strandrestaurant zu frühstücken, als er die Schreie hörte. Dann hatte er das Wasser kommen sehen.
Sophie schlug die Augen auf. Sie war nass geschwitzt und ihr Herz hämmerte. Jemand quetschte sie an die Wand. Sie konnte sich kaum noch bewegen. Etwas Feuchtes drückte sich an ihren Hals. Vorsichtig tastete sie hinter sich. Pelle! Er war trotz Verbot in ihr Bett gesprungen. Erleichtert drehte sie sich um. »Pelle, du Blödmann!« Eigentlich sollte sie ihn hochkant rauswerfen, aber er sah einfach zu niedlich aus. Seine Pfoten zuckten und er knurrte leise. Wahrscheinlich verfolgte er im Traum ein Kaninchen. Vorsichtig schob Sophie den großen Hund etwas zur Seite und griff nach ihrem Handy, um auf die Uhr zu sehen. Sie drückte auf die Tastatur und sofort leuchtete das Display blau auf. 10 nach acht! Sophie rappelte sich verwundert auf. Sie hätte nicht gedacht, dass es schon so spät war. Der Kitekurs begann in knapp zwei Stunden. Sophie ließ sich zurück in ihr Kopfkissen fallen. Sie würde sich sputen müssen, aber fünf Minuten wollte sie sich noch gönnen. Plötzlich schreckte sie wieder hoch. Da war noch was auf dem Display! Sie hatte eine neue Nachricht. Schnell rief sie die SMS auf: ›Definitiv ertrunken! Lutz!‹ Sie hatte sich
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