Ostseegrab
zum Narren gemacht. Stefan würde sich totlachen. Sie seufzte und las weiter: ›Nicht in der Ostsee‹. Sophie setzte sich kerzengerade auf. Ihr Puls raste. Was hatte das denn zu bedeuten? Nicht in der Ostsee? Sie hatten sie doch am Strand gefunden. Ihr war rätselhaft, was Lutz damit meinte. Ihre eigenen Worte fielen ihr wieder ein: ›Sie sieht irgendwie hingelegt aus‹. Irgendjemand hatte die Frau an den Strand gelegt, nachdem sie woanders ertrunken, nein, ertränkt worden war. Wo? In einem See oder einem Swimmingpool? Eigentlich war das im Moment fast egal, denn eine Tatsache stand wohl fest. Die junge Frau war nicht von selbst an den Strand gekommen. Irgendwer hatte sie, bereits tot, dort abgelegt. Es war Mord! Und Stefan hatte sie für eine oberschlaue Wichtigtuerin gehalten. Er sollte ihr dankbar sein! Ohne ihre Nörgelei am Tatort wäre die ganze Geschichte vielleicht nie ans Licht gekommen. Am liebsten hätte sie ihn sofort angerufen. Aber dann würde sie Lutz verpetzen und damit ihre Informationsquelle verraten. Sie musste unbedingt mehr über die Sache erfahren. Lutz wollte nicht, dass sie ihn anrief, aber eine SMS würde sie ihm schicken. Entschlossen tippte sie eine Nachricht. Lutz würde anrufen, da war sie sich sicher. Sophie sprang aus dem Bett und ging ins Bad. Sie sollte heute beim Kurs Augen und Ohren offen halten und sich ganz unauffällig in der Szene umschauen. Schließlich hatte sie die perfekte Tarnung. Sie machte nur einen Schnupperkurs. Als sie herunterkam, stand Tina in der Küche und hatte Finn auf dem Arm. Gleichzeitig balancierte sie Aufschnitt, Milch und Marmelade aus dem Kühlschrank.
»Hier ist ja schon was los!«
Tina rollte mit den Augen. »Meine Nacht war um halb sechs zu Ende. Finn wollte nicht wieder einschlafen und dann sind die Großen aufgewacht. Ich brauch dringend einen Kaffee! Lass uns erst mal frühstücken!«
Sophie hörte gar nicht mehr zu, sondern starrte auf die Schlagzeile der Sonntagszeitung:
›Kiterin ertrunken! Schon der zweite furchtbare Unfall in dieser Saison. Sarah M. trainierte auf Fehmarn für die Deutschen Meisterschaften und galt als Favoritin. Wie ihre Sportkameradin Sandra L. ertrank auch Sarah M. nachts‹.
14
Olli putzte sich in seinem komfortablen Wohnmobilbad unter der Dusche die Zähne. Ihm ging es endlich etwas besser. Er hatte die ganze Nacht durchgeschlafen. Seine Hände zitterten nicht mehr und der latente Kopfschmerz war verschwunden. Er durfte nur nicht an Sarah denken. Jede Erinnerung schmerzte zu sehr. Es war gut, dass er arbeiten musste. Wenn er abgelenkt war, konnte er nicht durchdrehen. Olli wickelte sich in ein Handtuch und machte sich in der kleinen Küche einen Kaffee. Dann zog er sich eine Badeshorts und ein T-Shirt an, setzte sich in seine gemütliche Sitzecke und sah sich um. Alles war wieder sauber und ordentlich, fast so, als wäre überhaupt nichts passiert. Olli liebte sein Motorhome. Hier hatte er alles, was er brauchte. Vom Bett aus konnte er sogar den Strand sehen. Das Wohnmobil war sein Refugium und er musste es mit nichts und niemandem teilen. Er war gerne mit Menschen zusammen, doch er brauchte gleichzeitig seine Unabhängigkeit.
»Unabhängigkeit!«, murmelte Olli vor sich hin. Wenn er etwas nicht war, dann unabhängig. Er machte sich doch nur was vor. Irgendwann würde auch dieser Sommer zu Ende sein und dann musste er wieder auf dem Hof seiner Eltern leben, in seinem alten Kinderzimmer. Er würde sich wie jeden Winter um die Kühe kümmern. Seine Eltern hofften noch immer, dass er eines Tages den Hof übernehmen würde. Er hatte ihnen oft gesagt, dass er sich ein anderes Leben vorstellte. Das Problem war nur, dass er nicht wirklich wusste, was er eigentlich wollte. Er hatte es mit einem Studium versucht und sich für ein Wintersemester BWL eingeschrieben, doch das Studieren war auch nicht sein Ding. Seine Eltern versüßten sein Leben mit großzügigen Schecks und vor zwei Jahren hatten sie ihn an seinem Geburtstag mit dem Wohnmobil überrascht. Sie ließen ihm wirklich seine Freiheit. Er genoss es, ohne Druck die Sommermonate genießen zu können und auf einem Parkplatz am Strand zu leben. Mittlerweile fragte er sich aber selbst, wie seine Zukunft aussehen würde. Das Leben war schließlich kein ewiges Ferienlager. Durch Sarah war ihm klar geworden, dass er nicht für immer ein Surfboy bleiben konnte. Er hatte das erste Mal daran gedacht, dass ein erwachsenes Leben zu zweit, zu dem auch ein solider Job
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