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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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jede Menge bunter Broschüren gab’s. Und weißt du, was drinstand? Ha? Weißt du’s?« Er schrie jetzt wieder, er brüllte es ihr ins Gesicht: »Dienstleister sollten wir Tierärzte jetzt sein, Dienstleister für landwirtschaftliche Betriebe, im Prinzip« - jetzt höhnte er wieder -, »im Prin-zip sollten die Gemeinschaftspraxen der DDR-Tierärzte erhalten werden. Nur wie - das wurde nicht gesagt. Im Prinzip!« Hanno spuckte das Wort aus. »Hast du die mal gesehen, diese Merkblätter?« fragte er bitter und wartete Julias Antwort gar nicht erst ab. Ausführlich hätten sie sich damit beschäftigt, daß von nun an »bei niveauvollen wissenschaftlichen Tagungen auch für niveauvolle Unterbringung« zu sorgen sei. Wie es aber weitergehen sollte, mit ihnen, mit den Tierärzten, betriebswirtschaftlich, rechtlich, wissenschaftlich nicht zuletzt - davon
kein Wort. Hanno hatte seinen Kollegen davon überzeugt, ihre Gemeinschaftspraxis an die neuen Verhältnisse anzupassen. Sie hatten beizeiten privatisiert und als frisch niedergelassene Ärzte das Inventar gekauft.
    »Ja, wir haben uns getummelt, brav waren wir, ganz brav - aber was für Idioten!« sagte Hanno bitter. Weil sie selbst den ersten Schritt gemacht hatten, hatten sie prompt keine Abfindung erhalten, als sie sich selber quasi entließen. »Keine Abfindung, kein Startkapital. Ich hab Doktor Bohnen ausgezahlt. Und hatte zwei Jahre damit zu tun, die Kredite im Griff zu behalten, einigermaßen. Und dann sind die Leute weggeblieben. Die dachten gar nicht daran, ihren Wellensittich zum Tierarzt zu bringen, wenn der kränkelte.«
    »Aber die Großkunden, Hanno«, wandte Julia ein, »ihr hattet und habt doch noch die Großkunden, die alten Betriebe!«
    »Die LPGs?« Hanno lachte. »Verkauft. Die meisten verkauft, oft an ausländische Besitzer, und die haben ihre eigenen Vorstellungen von tierärztlicher Vorsorge. Die Holländer zum Beispiel, die bringen noch jede Aspirin-Tablette selber mit.«
    Deshalb also hatte Hanno das Fuhrgeschäft entdeckt. Und Leo und Schorsch trainiert. So, daß sie auch bei noch so sehr schunkelnden und feiernden Gesellschaften nicht aus der Ruhe zu bringen waren. Das Geschäft lief, immer mehr Touristen kamen, und jetzt überlegte bereits ein grö ßeres Reiseunternehmen, kombinierte Planwagen- und Wanderreisen anzubieten. Aber dazu mußte die Insel natürlich komplett autofrei sein. Und Sandwege mußten neu angelegt und gepflegt, ausgebaut und verbessert werden. Aber für solche Pläne waren alle zu unbeweglich, zu sehr fixiert auf das, was sie meinten, zu haben.
    »Vielleicht auf das, was sie können?« wagte Julia zu sagen. Ihr behagte die Vorstellung von einem Pferdetaxi mit
studiertem Chauffeur nicht recht. »Solche Kutschen gibt es in jedem Feriendomizil in Massen - ein verregneter Sommer, und das ganze Fuhrgeschäft ist zum Teufel, Hanno! Mit zwei Pferden mag es ja noch angehen, aber was, wenn das Geschäft größer wird, wenn neue Landauer und Kremser, neue Kutschpferde angeschafft werden müssen? Willst du das, Hanno? Ist es das, was dir Spaß macht?«
    »Du bist genau..., genau... wie, wie, wie... alle anderen!« fuhr Hanno sie an. Plötzlich stammelte er wieder. »Schuster, bleib bei deinen Leisten! Wie eine verdammte, eine verdammte Mutter bist du!«
    »Ich kann auch nichts dafür, wenn du keine gute Meinung von deiner Mutter hast!« fauchte Julia zurück.
    Sie schwiegen beide, unversöhnlich und böse. »… wie alle anderen«! Na bitte, wenn er meinte! Sie dachte daran, wieviel Zeit sie mit Hanno verbracht hatte, Zeit, in der er immer mehr von seinen Zweifeln und Sorgen erzählt hatte. Und das war nun der Dank! Himmel, sie dachte ja wirklich schon wie ihre Mutter! Julia erschrak. Längst hatten sie Stiftsdorf passiert. Hanno hatte nicht gefragt, ob sie nach Hause, ob sie ins Ladestein-Haus wollte, immerhin. Sie versuchte es erneut.
    »Ich meine ja auch bloß, daß jeder das tun sollte, was er am besten kann.«
    »O Gott, Julia, du bist naiv! Wie kann man nur so naiv sein! Wenn heute irgend etwas überhaupt nicht mehr zählt, dann das, was einer kann! Es ist nichts mehr wert, was ich kann, nichts mehr! Ich rechne jeden Einzelposten ab wie ein Kramladenverkäufer: einmal Spritze fünfzehn Mark, einmal Beratung zehn Mark und so weiter... Verstehst du? Es zählt nicht! Nicht mehr! Arbeit ist, ist, ist einen Scheiß wert, einen Scheiß!«
    »Aber für mich zählt es! Für mich zählt deine Arbeit!« sagte Julia lahm und kam sich nun

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