Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
Vom Netzwerk:
Vorträgen erwähnt? Planten sie nicht eine neue, bessere Broschüre, um deren Finanzierung sich Jeanette kümmern wollte? Lauter gute Gründe, die die Eltern gelten ließen. Als Anne Bult zum ersten Mal anrief - vorsichtig, sachlich, sich erkundigend, wann Julias Pläne es gestatteten, die Arbeit wiederaufzunehmen -, da rief Julia in den Hörer:
    »Natürlich kann ich morgen kommen!« und tat den Eltern gegenüber, als würde sie ganz dringend erwartet.
    »Mein Gott, nun hab dich doch nicht so«, brummte der
Vater. »Nun ist dieser Ladefein doch schon eine ganze Weile tot, oder? Der läuft dir doch nicht weg!«
    »Lade stein , Vater!« sagte Julia.
    »Ist doch nicht so wichtig,« sagte der Vater.

    »Da ra da am de ra am de... da ra do dee... It ain’t necessarily so. The things that you’re liable. You read in the bible. It ain’t necessarily so...«

    Sie drehte sich wie eine Teepuppe überm Eis. Sie hielt die Qi-Gong-Kugeln in den Händen und wärmte sich an der Popmusik. Jeden Morgen in Bielefeld tanzte Julia, für sich allein. So wie andere beten oder Tagebücher schreiben oder stundenlang mit ihren Freundinnen telefonieren. Sie tanzte. Sie entdeckte die Communards wieder, deren gefistelte Liebeslieder nach süßem, apfeligem Parfum rochen und nach Trost. Zu deren Musik drehte sie sich in dem Zimmer, das einmal ihres gewesen war. Und spürte, wie alles verschwamm und undeutlich wurde. Nichts in dieser gewohnten Umgebung ging sie etwas an, nichts war wirklich. Und noch vor Silvester war sie wieder auf der Insel.

    Wie anders war die Überfahrt diesmal gewesen! Freundlich und vertraut hatte die See auf sie gewirkt, trotz der schwefelgelben Winterfarbe. Das gibt noch Sturm! Sie kannte sich aus. Ruhig hatte Julia sich an die Polster des Fährensessels gelehnt, ein Glas Tee auf den Knien balancierend. Sie kehrte zurück. Und tatsächlich hatte das nur sehr wenig mit Hanno zu tun. Bisher hatte fast alles in ihrem Leben mit anderen zu tun gehabt, mit fremden Erwartungen. Der Vater, der unbedingt wollte, daß sie »etwas aus sich machte«. Sie hatte sich angestrengt, ihm zuliebe. Und später, als sie unaufhaltsam zunahm, da hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt - seinetwegen. Existierte sie denn gar nicht ohne
ihn? Die Mutter hingegen hatte Unauffälligkeit gefordert, war zufrieden, wenn alles nur funktionierte. Und Julia bemühte sich. Ebenso willig hatte sie sich stets an ihre Freunde angepaßt. Die verlangten das gar nicht, mußten es nicht, denn Julia, immer bemüht, das Richtige zu tun, spürte instinktiv, welche Bedürfnisse sie gerade hatten. Zufrieden war sie nur, wenn diese jungen, unreifen, pickligen Ersatz-Väter und Ersatz-Mütter mit ihr einverstanden waren, unglücklich, wenn diese sie tadelten oder sich, was oft vorkam, schweigend zurückzogen. Ein besseres Bindemittel gab es nicht als diesen stummen Rückzug. Du verstehst mich nicht! Und schon gab sie sich wieder Mühe. Die Liebe, eine Anstrengung. Bis Hanno kam. Natürlich spürte sie auch seine Wünsche. Doch endlich, zum ersten Mal, fand sie genauso Platz für ihre eigenen Sehnsüchte. Spürte, was ihr guttat. Was sie wollte. Und holte sich, was sie brauchte. Hatte sich geholt, was sie brauchte! Ihr eigenes Lächeln tat weh wie ein Messerstich. Nicht an Hanno denken! Dieses neue ruhige Gefühl war ja trotzdem da, auch ohne ihn. Die Insel lag wieder vor ihr, unspektakulär wie bei der ersten Ankunft, geduckt und abwartend. Eine Insel, die jeden mit offenen Armen empfing, eine Insel, die keine Vorschriften machte, wie einer zu leben hätte. Julia verstand, mit welcher Erleichterung die Seeleute früher von großer Fahrt nach Hause gekommen sein mußten, und warum die meisten ihr karges Leben in den Torfhütten nicht gegen ein sehr viel komfortableres auf dem Festland eintauschen wollten. Nicht einmal eine gescheiterte Liebe konnte einem dieses sanfte Inselglück verleiden, dieses einfache Dasein.

    Der Kapitän winkte ihr hinterher, als sie von Bord ging: »Mach’s man gut, du!«
    Anne Bult hatte Tee gekocht.
    Sie nahmen die Arbeit wieder auf, wo sie sie unterbrochen
hatten. Anne war jetzt öfter dabei, denn in den Wintermonaten stellte sich nur wenig Besuch im Ladestein Haus ein.
    Krüger, ein Schriftsteller aus Berlin, hatte Anne über die Feiertage besucht und ein bißchen in Ladesteins Bibliothek geräumt. »Er hat immer das Gefühl, er muß sich hier nützlich machen«, sagte Anne und lächelte. »Dabei unterhält er mich

Weitere Kostenlose Bücher