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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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der nach nischt aus! So’n magerer, eher unscheinbarer Typ, immer nur mit ganz akkurat gezogenem Scheitel. Aber das war auch das einzig Akkurate an dem Kerl! Wenn der mal richtig in Fahrt kam - und er war eigentlich ständig in Fahrt, solange die Schenken nur geöffnet hatten -, konnte der ganze Säle zum Lachen bringen. Er hat dann aus dem Stegreif Reime von sich gegeben, lauter so komisches Zeug. Nicht wie der Oppeln, unser Heimatdichter. Er hat nicht die Heide besungen oder so was, nee - das war manchmal richtig geharnischter Unsinn - nur eben schön gereimt. Und über’n Strandvogt hat er sich lustig gemacht. Über alle Amtspersonen eigentlich. Alles, was Uniform trug, war ihm zuwider.«
    »Seeschwalbens Mätzchen
Schwarzkehlchens Lätzchen...«
    Das war die andere Alte von der oberen Saunabank. Lisa machte weiter:
    »Grasmückens Jungen,
Zaunkönig, gedrungen.
Bienfresser, verirrt,
Schlagschwirle, verwirrt.
Kolkraben und Alken,
Mauersegler und Falken.
Langschnäbelige Bekassine,
Kampfläufers böse Miene.

    Roter Schnabel: Teichralle.
Wanderfalkens Wanderkralle.
Blaukehlchen trägt blauen Schal,
Sturmmöwe fängt Aal.
Waldkauz schläft auf Bäumen,
Jungschwan lehrt das Träumen.
Tausend Vögel mal zwei Schwingen,
Ächzen, piepen, krähen, singen,
Wache Augen folgen überall hin:
Kranich und Graugans, Bussard und Merlin.«
    Lisa lachte zufrieden.
    »Aber Lisa, das sind doch Kinderreime!«
»Mag sein, daß das Kinderreime sind...«
    Das war Mady, die sich zu Wort gemeldet hatte: Mady Runge. Ihre Stimme flackerte ein wenig. Jetzt merkte man, daß sie die ungewohnte Geselligkeit doch anstrengte, was Julia seltsamerweise beruhigte.
    »Mag sein, daß das Kinderreime sind, aber nach dem bißchen, was ich weiß, wollte der Ladestein doch genau das: daß man nämlich seine Verse nachmachen konnte, einfach so. Der hat keinen Wert darauf gelegt, daß einer allein was konnte...« Ihre Stimme wurde hoch und schrill: »Nicht einer allein muß was können!«

    »Naja«, räumte Lisa schnaufend und gnädig ein und deponierte ihren mächtigen rechten Ellenbogen so auf dem Knie, daß ihr gewaltiger Oberkörper nach vorne wogte. »Naja, vielleicht war er ja deshalb auch mal Dorfschullehrer hier. Ich glaube, der schlechteste, den sie je hatten!« Sie lachte ein Lachen, wie mit Sandpapier aufgerauht. Dann witterte sie ihre Chance, weiterzuerzählen, und richtete sich auf, Schweißtropfen stoben davon. »Jedenfalls war meine Großmutter so hinter ihm her - weiß der Henker, was sie an ihm fand -, sie war derart versessen auf ihn, sage ich, daß sie ihm irgendwann, vielleicht nach drei oder vier Sanddornschnäpschen, versprochen hat, daß sie alles für ihn tun würde. Alles, versteht ihr?«
    Der Busen wogte wieder nach vorn, gefolgt von den Armen. Die anderen nickten, vorsichtshalber.
    »Also, so dreckig könnte es mir gar nicht gehen, daß ich so was’nem Kerl erzähle, aber egal... Jedenfalls hat der - wahrscheinlich nur so zum Spaß - gesagt, wenn sie ihm ein Herzförmiges Haus baute, da würde er wohl einziehen...«
    »Das ›Herzenhaus‹, das ist von deiner Oma?!«
    »Schnauze! Unterbrecht mich nicht ständig!«
    Lisa wurde jetzt regelrecht grob, wahrscheinlich, weil sie jetzt schnell aus der Hitze rauswollte.
    »Ja, das ›Herzenhaus‹ ist von meiner Großmutter selig. Sie hat es ihm gebaut, angeblich von eigener Hand. Na,’n paar Figuren wird sie wohl gefunden haben, die ihr geholfen haben. Jedenfalls...« Sie wandte sich an Julia: »Jedenfalls war meine Großmutter Lisa so verrückt nach dem Dichter, daß sie nach seinen Angaben wirklich ein Haus auf herzförmigem Grundriß gebaut hat, was soll ich dir sagen?! Natürlich ist er nie da eingezogen, er ist nicht mal zu Besuch gekommen!«
    Ihr Gelächter bekam jetzt etwas Gellendes, Unschönes, es warf sie geradezu hin und her. Die anderen hatten angefangen,
ihre Handtücher zusammenzuraffen und mit den nackten Füßen nach den Plastiklatschen zu angeln: Die Sanduhr war längst abgelaufen - Zeit für eine Abkühlung.
    »Schöner, sauberer Dichter! Na, immerhin haben wir jetzt’ne Sehenswürdigkeit. So ist das: Je mehr Unglück du sammelst, um so sehenswerter wirst du, ha! Wenn du Glück hast, stellen sie dich unter Denkmalschutz!«
    »Wie die ganze olle DDR?!«

    Frauenbaden. Frauen tauchten in eiskaltes Wasser, rubbelten sich die Rücken rot, redeten leise und hastig, wickelten Handtücher um Busen und Hüften, badeten Füße, flüchteten vor der Helle

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